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Brasilien 1999/2000 IV: Rio de Janeiro

Unseren Aufenthalt in Rio de Janeiro habe ich fast verdrängt. Liegt es an dem Überfall, dass ich die vier Tage in der DER Stadt Brasiliens quasi aus meinem Gedächtnis getilgt habe? Jahrelang habe ich selbst um die Fotos einen großen Bogen gemacht, in der Tat lag es an Rio, dass die Reise nach Brasilien in Vergessenheit geraten ist. Das erste Mal habe ich 2014, im Rahmen der Fussball WM, wieder an den Urlaub gedacht und nicht nur die Glasscherbe am Hals vor Augen gehabt.

Vor Rio hatten wir bereits vor Ankunft Respekt, Alle hatten uns im Vorfeld gewarnt. Helga, die Freundin meiner Mama, erzählte schaurige Geschichten aus ihrer Heimat, von Überfällen bereits am Flughafen. Macon und Margarida hatten ebenfalls gewarnt und auch unser Reisebüro in Berlin empfahl uns eine geführte Stadtrundfahrt, um die Sehenswürdigkeiten von Rio de Janeiro kennenzulernen.

Unser Hotel lag in einer Stichstraße zum Strand von Copacabana und so zog es uns direkt nach unserer Ankunft an den Strand der Reichen und Schönen. Die Caipirinha floss in Strömen, der gesamte brasilianische Körperkult wird von den Cariocas an der Copacabana und in Ipanema ausgelebt.

Copacabana erschien uns sicher, auch wenn unsere Stichstraße bereits in einer Favela endete und uns die räumliche Nähe von Arm und Reich bereits nach fünf Minuten Aufenthalt in Rio bewusst wurde.

Wir fuhren ziemlich viel mit dem Bus durch die Innenstadt und vor jeder Kirche bekreuzigten sich die Einwohner der Stadt und beäugten uns skeptisch. Wir linsten ungläubig zurück…..wie kann ein ganzer Kontinent so gläubig und dennoch so gewalttätig, korrupt und kriminell sein? Nicht nur Brasilien hat ein Sicherheitsproblem, Gleiches gilt für Kolumbien, Peru und auch Bolivien ist nicht sicher.

Favela Rocinha

An einem Tag nahmen wir die wichtigsten Sehenswürdigkeiten mit, besuchten Christus den Erneuerer, Zuckerhut und Corcovado. Auch Pele´machten wir unsere Aufwartung im Maraçana Stadion.

Das Sambadromo war ohne Karneval eher langweilig, ein Besuch eher überflüssig.

Die Sightseeingtour von Rio endete in der Innenstadt mit dem Besuch der großen Kathedrale für die vielen Gläubigen und Sündigen des Millionenmolochs.

Die Innenstadt selbst ist erfrischend hübsch, viele koloniale Bauten sind noch erhalten, Rio ist eben nicht nur Strände, Corcovado und Zuckerhut.

Wir wollten natürlich auch die berühmte Straßenbahn über dem Aquädukt von Lapa sehen und machten uns an einem schönen Sonntag auf in die Innenstadt von Rio de Janeiro. Diese war wie ausgstorben, Geschäfte machen am Semana Santa erst nachmittags auf.

Wir wollten an diesem bewussten Sonntag auch die Sommergarderobe auf Vorderfrau bringen und hatten unsere Kreditkarten und nicht wenig Bares in den Taschen. Zur Jahrtausendwende waren die Hüfttaschen auf dem absoluten Höhepunkt ihres Dasaeins und so liefen wir wie kleine Känguruhs durch die Straßen von Rio. Heute findet man die Dinger nur noch assig, damals gehörten die Bauchtaschen einfach zum Outfit dazu. Die Spiegelreflexkameras hatten wir bereits aus Sicherheitsgründen im Hotel gelassen, ich hatte als Zweitkamera eine kleine Canon IXUS, die erste und letzte Kamera in meinem Leben, die auf APX lief.

Am Arcos da Lapa herrschte absolute Mittagsruhe, wir überbrückten die Warterei auf die Straßenbahn aus Santa Teresa , im Schatten hockend, im Rücken ein altes Industriegebäude.

Es war mörderisch heiß, wir Fünf waren mehr als träge. So entgingen uns die neugierigen Blicke von zwei Jungs, die in Shorts und FlipFlops bekleidet an uns vorbeischlenderten. Wir nahmen die gierigen Blicke kaum wahr, auch wenn im Nachgang der Geschichte das Verhalten der Beiden schon merkwürdig war. Ich weiß noch, dass sich Einer der Beiden nach etwas bückte.

Aufeinmal drehten sich die Beiden um und liefen wieder auf uns zu. Irritiert nahmen wir den geringen Abstand zu unserer Gruppe wahr und plötzlich standen die zwei Gauner direkt vor mir, drückten eine Glasscherbe an meinen Hals und deuteten auf meine geschlossene Hand, in der die Canon Ixus lag.

Wir standen Alle auf, auch ich ,die immerhin eine Glasscherbe am Hals hatte. In meinem Kopf herrschte Leere, ungläubig nahm ich wie eine Außenstehende die Situation wahr. Die beiden dummen Jungs Anfang Zwanzig würden doch wohl keine Touristin wegen einer 250,–DM teuren Kamera umbringen???? Ich versuchte zu verhandeln, meine Freundin Christin brüllte immer nur „Gib denen die Kamera“ und irgendwann machte es in meinem Kopf „klick“……natürlich würden sie morden, in Brasilien werden Menschen für viel Weniger umgebracht. Schnell gab ich die Kamera heraus, die beiden Jungs versuchten auch noch an unsere Beuteltaschen zu kommen, doch da wir zu Fünft die jämmerlichen Zwei um Längen überragten ( insbesondere Alexandra, John und Matthias waren in Bezug auf die Körpergröße weit überlegen), ließen Sie von uns ab.

Bizarr an der Situation war die Nähe zur Innenstadt, die große Kathedrale von Rio liegt einen Steinschlag entfernt, als auch die Tatsache, dass die nächste Polizei ebenfalls in Steinwurfnähe war. Wir blieben an diesem Tag erstaunlich ruhig, die Kamera war versichert…..bereits in Australien hatte meine Gepäckversicherung den Diebstahl aus dem Hotel in Darwn gut kompensiert und auch diesmal war mir klar, dass die Kamera ersetzt werden würde. Lediglich ein Polizeiprotokoll musste her und das zwar schnell. Wir hatten in unserer Zeit im Nordeste bereits mit Korruption unsere ersten Erfahrungen gesammelt, die Federales gegen die Municipal….jeder Polizist hält gerne mal die Hand auf.

Auf der Polizeistation fühlte man sich für uns nicht zurständig, nach langer Warterei wurden wir in einen Polizeiwagen verstaut und nach Ipanema zur Touripolente gefahren. Uns wurde mulmig, bei unserer ersten Aussage mussten wir unser Hotel benennen…….was wäre, wenn unsere Zimmer ausgeräumt werden würden, während wir in Ipanema auf der Touripolizei waren????? Wir hätten uns trennen sollen, drei Leute bei der Polzei, drei Leute im Hotel…Alle waren nervös und unruhig.

Endlich wurde der Überfall aufgenommen und protokolliert. Endlich hatte ich das ersehnte Stück Papier in der Hand.

Bei unserer Rückkehr nach Copacabana stellten wir fest, dass unsere Zimmer unversehrt geblieben waren. Alles in Allem waren wir glimpflich aus der Geschichte herausgekommen. Jahrelang habe ich den Vorfall in meinem Hirn verdrängt. Erzählt haben wir davon erst nach unserer Rückkehr nach Europa, 1,5 Monate später.

Verdaut habe ich den Überfall erst nach Jahren, irgendwann kam das Erlebte hoch und die T ragweite mir mit zunehmenden Lebensjahren bewusst. Jetzt, zwanzig Jahre später sge ich einfach nur noch „Glück gehabt“.

Tja, was wollten wir aber eigentlich an diesem Tag bewundern? Hier ein paar gescannte Postkarten vom berühmten Arcos da Lapa:

Unseren letzten Tag verbrachten wir am Strand, wir trauten uns nicht mehr in die Innenstadt, Lust auf Sightseeing war uns vergangen.

Alles in Allem waren wir happy, als wir Rio den Rücken zuwenden konnten. Auf unserem Flug nach Salvador da Bahia wurde Christine gefragt, wie wir denn Rio de Janeiro mögen würden. Sie antwortete “ we survived“….naja, ich fand diese Aussage damals ein bissel übertrieben, ob ich tatsächlich in Lebensgefahr geschwebt habe….who knows????

Was macht aber eigentlich Rio de Janeiro aus? Meine Five Cents dazu : DIE LAGE; DIE LAGE; DIE LAGE…..ähnlich wie Kapstadt oder Sydney. Es ist die Lage am Meer, die Arroganz der Carioca, der Körperkult und die Tatsache, dass man nicht reich sein muss, um am Lebensgefühl dieser Stadt teilhaben zu können.

Nach zwanzig Jahren bin ich bereit, Rio de Janeiro eine zweite Chance zu geben, sicherlich mit weitaus größerem Sicherheitsbewusstsein als damals.

Brasilien 1999/2000, I: MilleniumsWende in Rio ( Tinto)

Alle waren heiß auf ein besonderes Silvester 1999, der sogenannten Milleniumswende. Da lag es nicht so fern, als mein damaliger Freund ganz trocken seine Familie in Brasilien ins Spiel brachte. Silvester in Rio, nein nicht in de Janeiro sondern in Tinto—warum nicht? Es gab damals einen Südamerikaspezialisten in Berlin der sich uns und unserer recht kurzfristigen Planung annahm und nicht nur den Flugpass über VASP ( VASP was?- die Airline gibts es seit rd. 18 Jahren schon nicht mehr) sondern auch unsere Amazonastour buchte.

Am ersten Weihnachtsfeiertrag ging es von Tempelhof ( ja, richtig gelesen ) mit Sabena( Sabena was? Ja, auch die ist pleite) nach Brüssel. Dort wurde festgestellt, dass unser komplettes Ticketheftchen überholt war, ALLE Abflüge sich in den nächsten acht Wochen geändert haben und für fünf Reisende die Tickets angepasst werden mussten- merry x-mas!

Schlußendlich hockten wir in der „no thrill Airline“ und bewunderten die bezaubernden brasilianischen Kiddies. Meines Erachtens gehören die Blagen zu den süßesten auf der ganzen Welt.

Schon der Hinflug nach Südamerika brachte uns fast an unsere Grenzen. Wir landeten das erste Mal in Saõ Paulo um nach vier Stunden Wartezeit in die Maschine nach Recife zu kommen. Was wir nicht wussten, für uns ging es erstmal nach Goiania um dann nach Brasilia zu fliegen. Irgendwann saßen wir tatsächlich im Flieger nach Recife. Nach 28 Std. Fliegrei kreuz und quer über den Atlantik und durch Brasilien hatten wir es geschafft und standen vor Macon, der Schwiegersohn der Familie.

Unserer Vorstellung war Dusche, Essen, Bett…..was wir bekamen war Weihnachtstrubel am Strand von Boa Viagem und eine Kokosnuss zum Antesten. Total verschwitzt bewunderten wir die durchtrainierten Brasilianer am Strand und sehnten uns nach Wasser aus dem Duschkopf.

In unserer ersten Woche im Nordosten von Brasilien erfanden wir eine neue Maßeinheit „R“. Ein „R“ entsprach der Distanz Recife- Rio Tinto- rd. drei Stunden in einem Fünfsitzer zu sechst….ein Träumchen, welches wir zu lieben lernten. Insgesamt fuhren wir die Strecke mindestens 4x.

Unser Endziel war an diesem Tag nicht Rio Tinto, sondern Praia da Traiçaõ. Dort hatte Margarida ein Haus gemietet, welches heute noch buchbar ist ( Pousada Lua Cheia B&B). Damals war der Strand durch eine Stichstraße, rd. 20km von Rio Tinto entfernt erreichbar und ein untouristisches Fleckchen Erde ohne Hotels, Pensionen usw. Das wird sich vermutlich geändert haben.

An unserem ersten Abend gab es grandiose T-Bone Steaks und die ersten Caipirinhas.

Am nächsten Morgen sah die Welt super aus, wir hatten ausgeschlafen und machten unsere Umgebung unsicher und testeten das Wasser an. Hier ein paar Impressionen aus Traiçaõ:

Unseren ersten Tag verbrachten wir auf dem Wasser, an verlassenen Stränden in noch indigenen Orten unserer Nachbarschaft. Margarida und Macon hatten ein Boot gemietet und wir genossen das herrliche Meer und verbrannten ganz dolle.

In den darauffolgenden Tagen machten wir die Umgebung unsicher, wir besuchten Joaõ Pessoa und damit den östlichsten Punkt des südamerikanischen Kontinents.

Der Sonnenuntergang an der Praia Jacuma war leider nicht so spektakulär, immerhin endete nie unseere Caipirinhaversorgung .

Ein sehr schöner Ausflug führte uns nach Praia Grande do Norte, Baia Formosa und Praia da Pipa, bereits 1999 ein fetter Urlaubsort, vermutlich heute nicht mehr besuchbar.

Um nach Praia de Pipa zu kommen, war die Autofähre notwendig- interessante Konstruktion.

Hier ein paar Impressionen aus Pipa:

Am vierten Tag unserer Reise fuhren wir wieder mal das berühmte „R“ zwischen Rio Tinto und Recife und holten Freund John vom internationalen Flughafen Recife ab. Die nächsten drei Wochen waren wir schlußendlich zu Sechst unterwegs.

Damit das „R“ sich so richtig lohnte, besuchten wir die bezaubernde Altstadt von Olinda, der schönen…..quasi die Altstadt von Recife.

Am Silvestertag 1999 fuhren wir Richtung Natal. Ziel unserer Tour war die Sanddüne von Genipabu mit dazugehörendem Strand. Die Düne darf nicht betreten werden, in den Dünen im Hinterland kann man mit Stradbuggies durch die Dünen heizen, ein Abenteuer welches wir nicht ausließen.

Nachdem der Silvestertag schon mal gelungen war, war die Vorfreude auf die Milleniumswende umso größer. Margarida hatte in Rio Tinto ein Haus gemietet, sofern war die Toilettenfrage geklärt. Gefeiert wurde auf dem Marktplatz, es floss die Caipirinha und am Churascogrill brutzelte das Rind. Die Kinder fuhren Karusell, die gesamte Atmosphäre war unaufgeregt und sicherlich feierten wir eines der beschaulichsten Silvester unseres Lebens. Um 0:00 Uhr gab es ein Blitzfeuerwerk mit Saktschüssen und um 2:30 fing eine Lifeband an zu spielen.

Fotos kann ich von diesem fabelhaften Abend nicht mehr liefern, die Qualität der Nachtfotos ist nicht zeigbar.

Am nächsten Tag fuhren wir ein letztes „R“ und flogen mit der VASP über Brasilia nach Manaus- der Amazonas lockte.