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Deutschland 2020, Wismar I: Alter Hafen, Markt und Sonstiges

Meine allererste Reise mit meinem lieben Mann führte mich 2011 nach Wismar; nach nunmehr neun Jahren Abstinenz suchten wir uns das wohl wärmste Sommerwochenende 2020 aus und besuchten mal wieder die wunderschöne Hansestadt.
Ich arbeitete morgens noch fünf Stunden im Homeoffice und pünktlich um 11:00 Uhr fuhren wir in Berlin auf die Autobahn und standen uns von Stau zu Stau.

Unterwegs machten wir in Stolpe eine kurze Pause und ich wagte einen kurzen Ausblick auf den 5. September 2020……hoffentlich befinden wir uns an diesem Tag tatsächlich auf genau den Weg nach Island, zur Fähre bei Hirthals, sofern die Infektionszahlen dies zulassen !

Gegen 14:30 Uhr erreichten wir das Viersternehotel „Stadthotel Stern“, eine der letzten buchbaren Optionen für Spätentschlossene im Coronasommer 2020. Wir bezogen zunächst unsere Zimmer, Mathias parkte im Anschluss das Auto um, unser Hotelparkplatz war ausgebucht. Glücklicherweise stehen wir nun sogar günstiger als im Hotel.

Emily musste bitter lernen, dass sie nicht in alle Bereiche des Hotels darf, in unser Zimmer zum Beispiel nicht. Emily nächtigt bei der heiß geliebten Hundeoma, die ein paar Meter weiter, im Standardzimmer mit Hinterhofcharme residiert…..versnobte Bude, im Normalfall hätte ich mir sowas nicht gefallen lassen! Da wir aber recht kurzentschlossen gebucht hatten, mussten wir es nehmen wie es kommt.

Nach kurzer Erfischung entschlossen wir uns für einen Kreuz,-u. Quermarsch durch die Altstadt, ohne Blick in den Reiseführer. Dennoch kommen hier wenigstens ein paar Eckdaten.

Wismar liegt an der gleichnamigen Bucht und wir durch die Insel Poel von Wind und Wetter geschützt. Sie ist die sechsgrößte Stadt Mecklenburg-Vorpommerns und Kreisstadt von Nordwestmecklenburg. Zur Zeit leben rd. 43.000 Einwohner in der, von der Unesco als Weltkulturerbe deklarierten Stadt. Wismar war Mitglied der Hanse und erlebte seine Blütezeit im späten Mittelalter. Nach dem dreißigjährigen Krieg kam Wismar von 1648-1803 unter schwedische Herrschaft, im Zweiten Weltkrieg wurde die Hansestadt schwer zerstört.

Wir liefen zunächst die Lübsche Straße hinunter, in der nicht nur unser Hotel lag, sondern auch die zentrale Einkaufsstraße von Wismar ist. Hier hatte Mathias bis 2011 geschäftliche Verbindungen, viele alte Erinnerungen und Geschichten wurden an diesem ersten Tag erzählt. Wir liefen weiter durch die Krämerstraße und hier sollte als Erstes Karstadt und die Apotheke Erwähnung finden.

Wer wusste, dass das Stammhaus von Karstadt in Wismar zu finden ist, der hebe die Hand!

Das Karstadt Stammhaus

Rudolph Karstadt war der Begründer des Karstadt Imperiums, eröffnete 1881 das erste Geschäft und wird sich vermutlich in seinem Grab wie ein Brummkreisel drehen, bei den heutigen Entwicklungen des Traditionsunternehmens. Wir fanden den Jugenstilbau von Karstadt ziemlich gelungen, erinnert er doch stark an andere Warenhäuser der Kette, man blieb sich also architektonisch treu. Bereits 1900 konnte Rudolph Karstadt 30 Warenhäuser sein eigen nennen, in den Zeiten der DDR befand sich ein Centrum Warenhaus in den Räumen des Stammhauses.

Ratsapptheke

Wir ließen den Marktplatz hinter der Ratsapotheke zunächst aus, unser Ziel war profaner…..der alte Hafen und ein Fischbrötchen aus der Seeperle sollten her.

Zunächst stießen wir aber auf eines der Wahrzeichen von Wismar, ein Haus an der Grube, welchen in keiner Fernsehproduktion zu Mecklenburg – Vorpommern ausgelassen wird. Das Gewölbe überspannt den künstlichen Wasserlauf Grube, welcher im 13. Jh. angelegt wurde.

Heute beherbergt der Fachwerkbau Ferienwohnungen in denen nettes Ambiente, allerdings auch Straßenlärm garantiert sind. Das Haus liegt im Stadteil Lohberg, hier findet man einige preislich überzogene Restauants in schönem Ambiente, seht selbst. Im alten Fachwerkspeicher wurde bereits 1452 Bier gebraut.

Bevor wir an ein Fischbrötchen kamen, musste aber zunächst das Wassertor und der alte Hafen von der Stadtseite bewundert werden. Meine Mama wollte unbedingt durchs Tor flanieren und alte Erinnerungen, gepaart mit „Soko Wismar“ Seriendüdelei auffrischen.

Das Wassertor von 1450

Das Wassertor ist das letzte erhaltene Stadttor und stand 1921 im Mittelpunkt der Dreharbeiten von Nosferatu.

Wir bewunderten die Auslagen der Fischkutter und waren erstaunt über die horrenden Restaurantpreise im gesamten Stadtgebiet. Die Norm liegt bei rd. 20€ für ein Essen im Restaurant….hoppla, da muss sich Niemand wundern, wenn es Alle ins Ausland zieht.

Die Seeperle war bereit 2011 unser kulinarischer Dreh,-u. Angelpunkt und nicht nur wir waren wieder begeistert, gesamt Wismar hielt sich gefühlt hier auf.

Nach der Stärkung liefen wir auf der Holzhafenseite entlang und bewunderten die Wismarer Skyline, die trotz Kriegsschäden noch immer einen schönen Einblick in die Altstadt eröffnet. Das Panorama ist toll, hier wurde nach 1989 geklotzt, nicht gekleckert. Ich habe mir ein paar alte Bilder vor 1990 angesehen, die Stadt war in einem erbärmlichen Zustand.

Zurück auf der „Stadtseite“ bewunderten wir den Wismarer Marktplatz mit Rathaus, Wasserkunst und „Alter Schwede“.

Rathaus

Das Rathaus wurde von dem Ludwigsluster Johann Georg Barca in den Jahren 1817-1819 erbaut, nachdem das gotische Rathaus 1807 eingestürzt war. Es existiert aber noch der alte Rathauskeller mit Kreuzgewölbe aus dem 13. Jh.

Der Marktplatz gehört mit rd. 10.000qm zu den größten Marktplätzen Deutschlands, um diesen Platz gruppieren sich noch einige historische Bauten. In 2011 wohnten wir im Steigenberger direkt am Platz, das Hotel gibt es nicht mehr…..nicht schade drum, unser Zimmer war damals nicht dolle.

Besonders schön ist der Brunnen, die sogenannte Wasserkunst. Das Gebäude gilt als Wahrzeichen der Stadt und wurde von 1579-1602 nach Plänen des Utrechter Baumeisters Phillip Brandin im Stil der niederländsichen Renaissance errichtet.

Wasserkunst, dahinter links der „Alte Schwede“

An der Ostseite des Marktplatzes steht eines der ältesten Häuser der Stadt. Die Backsteinfassade des 1380 errichteten Gebäudes gehört zu den wertvollsten und letzten Giebelhausfassaden von Wismar. Der Begriff „Alter Schweder“ kam erst viel später, als nämlich im 19 Jh. eine Gaststätte gleichen Namens in die Räumlichkeiten zog. Diese existiert heute noch und wollte uns nicht bewirten, denn nur Getränke an dieser Topadresse….das geht nun wirklich nicht!

Ein letzter Blick auf Wasserkunst und Alter Schweder

So profitierte der Italiener rund ums Eck, mit schöner Terasse und Garten. Erfrischt machten wir uns auf den Weg zum Schabbellhaus. Unterwegs stießen wir auf die Sektkellerei Weinberg und auf den Edeka Grosshandel.

Das Schabbellhaus liegt wieder an „der Grube“ und an der sogenannten „Schweinsbrücke“. Heinrich Schabbell war Wismars Bürgermeister und ließ von 1569-1571 den Gebäudekomplex von keinen Geringeren als dem Utrechter Brandin planen und bauen. Wir erinnern uns, der Phillipp war auch für die Wasserkunst verantwortlich. Heute zeigt sich ein Museum zur Stadtgeschichte in dem Haus der niederländischen Frührenaissance.

Der Abend schritt voran, uns quälte ein kleines Hungerchen und wir hatten die Vorstellung von etwas Authentischem….und wurden fündig! Gegenüber der St. Nikolaikirche (1381-1487, als Kirche der Seefahrer errichtet) liegt die Kneipe Nikolaiblick. Sie war sehr gut besucht und so vertrieben wir uns die Wartezeit mit dem Blick auf Nikolai und dem Friedhof drumherum, der Name war quasi Programm. Die Kirche ist sooo riesig und so eingebaut, dass ein ordentliches Foto sehr schwerfiel.

Grabsteine auf dem Kirchhof von St. Nikolai, links der Lauf der Grube
Warten auf der Grube

Unsere Wahl war für den ersten Abend goldrichtig, es gab eine gute deftige Souljanka und ein kaltes Bier. Die Kneipe hatte auch eine tolle Inneneinrichtung, wir blieben bei dem schönen Wetter aber lieber draußen.

Nach einem kurzen Marsch an der Grube entlang ging es schleunigst zurück ins Hotel. Wir waren doch ziemlich geschafft von der Anreise und den ersten Eindrücken. Auch die Nachttemperaturen ließen ein wenig zu wünschen übrig, ohne Jacke wurde es etwas kalt.

Nach einem Schlummerwhiskey und Schlager bei RBB verzogen wir uns in unsere viel zu weichen Betten. Emily zog mit der Hundeoma von dannen, uns würdigte sie nicht eines Blickes…..