Wir schliefen an unserem ersten Tag in Danzig erstmal aus und schlurften gegen 9:00 Uhr zu Nanas Pierogania um dort für 20 Zlotys ein wirklich gutes Frühstück zu genießen. Nicht das ich jeden Tag drei Eier am Morgen verputzen möchte, der Preis mit 4,60€ inkl. Kaffee ist aber einfach unschlagbar. Im Novotel wollten Sie von uns 16€ pP. für das Frühstück haben, quasi eine Frechheit für Polen.
Die Sonne schien, es hatte sich über Nacht abgeregnet, bereits am Morgen waren es rd. 19 Grad. Wir aßen draußen und freuten uns wie kleine Kinder, dass der Wettergott gnädiger war als über alle Webseiten verkündet. Wir lernten in den nächsten Tagen aber sehr wohl, dass Vorhersagen für diese Region quasi unmöglich sind……eine tägliche Husche, auch bei trockenem, stabilen Küstenwetter normal ist.
Nach dem feudalen Frühstück liefen wir vor zur Brücke und schauten uns das berühmte Panorama mit Wattenwölkchen an. Viele werden jetzt fragen, was ist eigentlich ein Krantor?
Das ehemalige Krantor wurde zum Löschen von Schiffsladungen genommen, war zu seiner Zeit das Größte auf dem Kontinent. Wann war seine Zeit…..jetzt wirds spannend, tatsächlich wurde das Krantor schon 1363 erbaut und man lügt wohl nicht, wenn man behauptet es war das größte Krantor der damaligen Welt ( zur Erinnerung, Columbus war noch nicht in See gestochen). Wir bewunderten den Wumms am Ufer der Mottlau aus allen Perspektiven und setzen dann unseren Weg über den Langen Markt, der Langgasse bis zum goldenen Tor fort.
Hier möchte ich auf das Rechtstädtische Rathaus und dem Neptunbrunnen verweisen, wo auch in Coronazeitem das Leben tobte. Ich mag gar nicht an normale Zeiten denken, Danzig dürfte dann wohl nicht sehr schön sein.
Am spitzen Turm verharrten wir kurz, der Turm fungierte früher als Gefängnis und ist legendär für die grausamen Foltermethoden im Gemäuer Heute kann Bernstein im Turm bewundert werden.
Danzig ist die Weltstadt des Bernsteins und auch ich hatte bereits im Vorfeld geplant mir einen Kettenanhänger zu kaufen, der natürlich nicht im Altweiberstil daher kommen sollte. In meiner Kindheit waren immer ältere Damen mit dem gelb-braunen Stein behangen und wenn es ganz schräg kam, konnte man noch kleine Insekten im Honigtopf bewundern! Ich sage wohl nichts Falsches, Frau von heute kann dem Bernstein nicht so viel abgewinnen…..selbst Mathias war erstaunt, als er meinen Wunsch vernahm. Näheres zu meinem Bernsteinwunsch, Corona in Danzig und dem Falt der fehlenden Kreuzfahrtschiffe an anderer Stelle.
Unser nächster Stop war die dicke Marie, die Marienkirche erbaut zw. 1343 – 1502. In ihrer Zeit war sie von 1525- 1945 evangelisch und mit Ende des Weltkrieges katholisch. Diesem Schicksal sind die meisten Kirchen östlich der Oder verfallen, Polen ist neben Brasilien, Mexiko und den Philippinen das katholischste Land der Welt. Was aber erhalten blieb, sind die alten evangelischen Inschriften, die deutsche Kanzel und andere Schmuckstücke. Auch die Nüchternheit, die man in katholischen Kirchen eher selten sieht blieb bestehen……sachlich, nüchtern, nordische Schönheit. Im Jahr 1603 hatte ein Blitz den Turm in Brand gesetzt, die rote Armee tat 1944 ihr Übriges, die Kirche war wie die gesamte Stadt Danzig zu 97% zerstört. Leider gingen auch 40% der Kunstwerke verloren, die die katholische Kirche aber nicht mit Gold und Kitsch ersetzte. Bereits 1946 wurde mit dem Wiederaufbau begonnen, 1955 die Kirche katholisch geweiht. Wir ersparten uns den Turm, da wir ja einzeln ins Gotteshaus gehen müssen, kleine weiße Wauzis sind auch mit bester Erziehung nicht gern in Kirchen gesehen. Da unser Hund zwar niedlich gucken kann, aber ihre Erziehung in solchen Momenten zu wünschen übrig lässt gingen wir getrennt in die Kirche und der/ die Andere stand mit dem heulenden Fellbündel vor dem Tor.
Weiter gings zur Frauengasse und dem Blick aufs Arsenal, bevor wir durch die Altstadt dem Stare Miasto liefen. Altstadt, häh….waren wir da nicht gerade? Nein, die Altstadt heißt in Danzig Rechtstadt, das Stare Miasto ( Altstadt) ist ein Nachbarbezirk und das Gdansk der kleinen Handwerkerzünfte und einfachen Leute. Es ist tatsächlich nicht älter als die Rechtstadt, hat aber auch ein paar sehr schöne Überbleibsel aus dem 14 Jh zu bieten.
Zunächst gab es einen Bierstop am Markt und einen Rundgang in genau diesem. Wir bewunderten die archäologischen Fundstücke und lernten erst später, dass der Standort des Marktes die Wiege von Danzig ist. Die Ausgrabungen zeigen einen alten Friedhof aus dem 8 Jh. Wir warfen ebenfalls einen Blick auf die kleine und alte Mühle von Danzig. Die kleine Mühle hattte nur acht Mahlräder und ist natürlich die ältere der beiden Stadtmühlen. Die Stary Mln hatte 18 Mahlräder, die notwendig waren um die freie Stadt Danzig zu versorgen. Von dem Zitel der freien Stadt war Danzig im 14 Jh. allerdings noch weit weg, der Deutsche Orden hatte den Bau angeordnet!
Ich warf noch einen Blick in die St. Katharinenkirche, die ebenfalls im 14 Jh. gebaut, im Krieg zerstört und die Metamorphose von evangelisch nach katholisch hinter sich hat. Da eine Messe zelebriert wurde, blieb ich als gute Berliner Protestantin am Eingang, bei mir bleibt die Kirche eh eher im Dorf!
Wir schlenderten weiter und mit jedem Schritt wandelte sich die Stadt Danzig zum Gdansk von heute. Die Geschichte dieser Stadt ist unwiderruflich mit dem Schicksal der Polen, der Geschichte der Deutschen, dem deutschen Orden, dem Pingpongspiel der Mächtigen und Irren verwoben. Gdansk ist aber auch ein Zeichen des Friedens, der Hoffnung und der Solidarność. Unser Ziel war die ehemalige Leninwerft, der Geburtstunde von Europa, es roch förmlich nach Freiheit und Brüderlichkeit…. Ich kann mich noch gut an den Werftstreik von 1980-1983 erinnern, Lech Walesa der mit seinem Schnurrbart einem Schwerverbrecher nicht unähnlich sah. Die Bilder waren alle grau in grau und ich als Westmädel fand die Berichterstattung spannend, zeigte es mir doch eine ganz andere, graue Welt die kaum 500 km von Berlin entfernt lag. Mein Vater erzählte mir damals von den Werftanlagen in Stettin, die ebenfalls streikten und vom Piwo, welches die Männer bereits morgens um 7:00 Uhr tranken. Polen war irgendwie immer anarchisch im Sozialismus, schade das politisch gesehen das Land sich gerade wieder zurück entwickelt. Polen hat immer für sich und seine Rechte gekämpft und sich dabei immer zäh und unbeugsam gezeigt.
Was ich nicht wußte, bereits 1970 hatte es die ersten Toten und Proteste auf der Werft gegeben und die Streiks ab 1980 waren quasi eine Fortsetzung. Es ging um Arbeiterrechte und mehr Lohn und war dennoch ein Meilenstein zur Öffnung Europas. Über Polen lag in den Jahren 80-93 das Kriegsrecht, viele Meschen wurden verschleppt, Solidarność wurde verboten und arbeitete im Untergrund. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an meine Berichte aus Breslau 2019, dort wird dieser Zeit auch erinnert.
Wir bewunderten zunächst das Denkmal, welches an den Streik von 1970 erinnert und wandten uns dann der Werft zu.
Sowohl von außen als auch von innen standen wir am Tor und versuchten uns in die Geschichte hineinzuversetzen.
Ins Museum kamen wir mit Emily nicht, ich würde es aber Jedem empfehlen. Uns blieb nur das www….. Die Werft wurde Mitte der 90er geschlossen, als China mit Dumpingpreisen den Markt übernahm. Geplant ist ein zweites Dockland, nach dem Vorbild aus London zu schaffen. Gdansk wird sich weiter wandeln und die deutsche Geschichte abstreifen.
Wie deutsch war Danzig aber nun wirklich? Der Name „ Freie Stadt Danzig“ ist wohl Jedem ein Begriff, aber wie kam es zu der Bezeichnung? Danzig wurde als das deutsche Juwel in der polnischen Krone bezeichnet, 1939 „heimgeholt ins Reich“, durch die Nazis und von der roten Armee in Schutt und Asche gelegt, von polnischen Restauratoren nach alten Stichen, Bildern und Aufzeichnungen wieder liebevoll aufgebaut. Die Deutschen in Danzig mussten zu fast 100% ihr Zuhause verlassen, Polen wurden angesiedelt. Laut meinem Reiseführer hat es nie ein größere Zwangsumsiedlung wie die nach dem zweiten Weltkrieg gegeben. Danzig war semiautonom, eine Vereinbarung aus den Verträgen von Versaille und dem Völkerbund ( Vorläufer der UNO). Rund 80% der Bevölkerung war deutsch und der Status der Stadt störte die Nazis, so dass am 01.09.1939 hier das Schicksal seinen Lauf nahm! Zum Kriesbeginn komme ich nochmal zurück, nun aber zu den harten polnischen und deutschen Fakten! Danzig wurde 997 erstmalig erwähnt, es war polabisch, also polnisch und bereits christlich geprägt, was ziemliches Pech für Adalbert von Prag war, der Gygdanyzc als Teil von Prußen ( also Preussen) bekehren wollte. 1034 zerbrach Polen zum ersten Mal, 1113-1116 unterwarf Boleslaw III wieder gesamt Pommerellen, Krakau regierte in dieser Zeit die Stadt Danzig. 1221 eroberten kurzzeitig die Dänen die Stadt, verloren diese 1225. Im 13 Jh herrschte das Herzogtum Pommerellen über die Stadt, schlussendlich gelang unter Konrad I die brandenburgische Kontrolle von Danzig. Der Deutsche Orden griff ab dem 14 Jh in die Geschichte der Stadt ein und prägte mit seinen Kirchen das Stadtbild. Danzig wurde eine bedeutende Hansestadt und Mitglied der dt. Hanse. Von 1466 bis zur zweiten Teilung von 1793 gehörte Danzig zu Polen. Als größter Ostseehafen agierte die Stadt im internationalen Getreide,- u. Holzhandel. Ab 1793 gehörte Danzig zu Preußen und erhielt nach dem ersten Weltkrieg den bereits genannten Titel „ Freie Stadt Danzig“. Wer also behauptet, dass Danzig und die Gebiete drumherum ( Ostpommern) ja schon immer deutsch waren, der liegt mal eben komplett falsch. Der Küstenort Gdynia ist sogar erst 1939 von den Deutschen besetzt und zu Gotenhafen umbenannt worden…..es war also nie wirklich deutsch!
Nach dem Werftbesuch schlenderten wir zum Museum des Zweiten Weltkrieges, bewunderten das Gebäude von Libeskind aber nur von außen, kleine weiße Hunde dürfen sich nicht weiterbilden! Da uns die Gräuel des Krieges durchaus in Krakau, Auschwitz, Yad Vashem und natürlich auch durch die Deutsche Aufarbeitung geläufig sind, war der Verzicht des Museums nicht schwerwiegend. Uns interessierte die Polnische Post, wo zeitgleich, mit dem Angriff auf die polnische Westerplatte, der 2. Weltkrieg am 01.09.1939 begann und die Welt in Schutt und Asche zerlegte.
Durch die autonome Stellung von Danzig, bekamen die Polen Sonderrechte in der Stadt, unter Anderem ein eigenes Postwesen und eine Militärbasis auf der Halbinsel Westerplatte. Dort griff die Schleswig- Holstein die Militärbasis an, 189 Polen kämpften gegen 4000 deutsche Soldaten….bittere sieben Tage, danach war die Westerplatte besiegt!
Zeitgleich wurde die Polnische Post überfallen, die 58 Mitarbeiter verschanzten sich und erhofften Rettung aus Gdynia, die nicht kam. Wer nicht im Kampf fiel, wurde später von den Nazis exekutiert. Sowohl die Westerplatte als auch die Polnische Post gelten als Sympol für den polnischen Wiederstand gegenüber den Deutschen.
Nach so viel ernster Geschichte sollte wieder Leichtigkeit her! Wir liefen durch die Rechtstadt zurück und besuchten die Brigittenkirche,die als Schutzheilige der Solidarność in den 80er Jahren fungierte. Die heilige Brigitte gilt in Polen als Kultfigur, der Leichnam der schwedischen Dame wurde 1342 hier ausgestellt, ein Denkmal erinnert an Jerzy Popieluszko, ein Priester der 1984 durch den polnischen Geheimdienst ermordet wurde….also doch nichts mit Leichtigkeit in dieser soschönen Stadt.
Wir liefen über die Speicherinsel zurück ins Hotel und genossen ein paar Aussichten und Ansichten dieser Stadt. Als Kaffeesnack gabs Piroggen mit Apfel und Zimt.
Den späten Nachmittag verbrachten wir im Hotel mit einem Nickerchen und Schönheitspflege. Frisch aufgebrezelt schlenderten wir um 18:30 an das Ufer der Mottlau, um im Gdanske Bowke richtig edel und gut essen zu gehen. Wir hatten bereits in Berlin einen Tisch reserviert, der Tip stammte aus meinem DK Reiseführer. Wir aßen uns durch drei polnische Gänge ( Tartar, Dorsch und Hefeküchlein) und fabrizierten eine, selbst für deutsche Verhältnisse, ordentliche Restaurantzeche…wobei die Summe in D noch beträchtlich höher gewesen wäre.
Bevor wir aber das gute Essen genießen konnten, erwarb ich einen Bernsteinanhänger…..1351 Zlotys waren veranschlagt, ich erhielt 75% Nachlass ( Corona und die fehlende Kreuzfahrtindustrie lässt grüßen) und konnte meinen Anhänger für 75 Euro mein eigen nennen! Am Ende spendierte mein lieber Mann den Klunlee, quasi eine winwin Situation für mich!
Gut gestärkt traten wir uns am gegenüberliegenden Mottlauufer die Füsse in den Bauch. Es wurden keine Häuser angestrahlt…..gegen 21:40 Uhr packten wir die Stative zusammen, just in diesem Moment gingen die Lichter an!
An diesem Abend gabs nur noch Nachtfotos „aus der Hand“.