Iran 2019, Xiv: Fazit

Salaam! Nach fast vier Wochen in der „Achse des Bösen“ im sogenannten „Schurkenstaat“ ist es Zeit ein kleines persönliches Fazit zu ziehen, insbesondere im Hinblick auf das Säbelrasseln des merkwürdigen Menschen in Washington, der mir in der vergangenen Woche wieder das kalte Grausen gelehrt hat.

Kann man in den Iran sicher reisen?

Aufjedenfall kann man individuell in den Iran, das Land ist als sehr sicher zu bezeichnen. Kriminalität wie in Mittel,- oder Südamerika sind unbekannt. Sicherlich gibt es Kleinkriminalität wie Taschendiebstähle aber die gibt es überall auf der Welt. Vermutlich schreckt die Scharia doch vor größeren Vergehen ab.

Der Iran ist komplett anders als in den Nachrichten und Medien dargestellt. Noch nie habe ich so herzliche, ja liebevolle und besorgte Menschen kennengelernt, die sich einfach nur über Touristen freuen und um deren Wohl besorgt sind. Wir sind so liebevoll umsorgt, gehegt und gepflegt worden, dass ich schon von meiner 75 Mio umfassenden iranischen Familie spreche. Achja, anders als in arabischen Ländern wird Frau nicht angemacht oder irgendwie belabert, behelligt etc….ein ganz wichtiges Reisekriterium.

Sollte man in den Iran reisen?

Diese Frage ist, wie bei allen Reisen in nichtdemokratische Länder schwer zu beantworten und was heißt am Ende schon Demokratie? Die Iraner wählen ihr Parlament, das Oberhaupt im Staat bleibt aber der jeweilige, religiöse Anführer, im Iran Chamenei vorher Khomeini. Ich finde, wer mit dem Zeigefinger auf diese Tatsache hinweist, der sollte auch seine Reisen in die Türkei oder in die USA überdenken, denn demokratisch geht es dort sei Jahren ebenfalls nicht zu. Auch das vielbereiste Kuba, China, Myanmar, Indien, Russland sowie viele Staaten Afrikas und Mittel,- Südamerika würden mit einem Schlag von den Wunschlisten der Traveller gestrichen werden. Wer denkt eigentlich noch an die ungerechtfertigte Invasion der Chinesen in Tibet? Wo sind die „Free Tibet“ Demonstranten? Ich schätze die Meisten von damals sind die Kreuzfahrer von heute.

Ich sage, Jede/r sollte in den Iran reisen um sich selbst davon zu überzeugen, dass weder Schurken noch böse Achsen am Werke sind, sondern Werte, die insbesondere dem Westen und damit meine ich die USA und auch uns Europäer schon lange verloren gegangen sind, noch wichtig sind.

Religion und islamische Kleiderordnung

Achja, was wurde gefrotzelt im Vorfeld und auch ich konnte es mir kaum vorstellen….aber ja, es ist möglich vier Wochen „haram“ also ordentlich im“Hijab“ also islamisch gekleidet zu sein. Hijab steht letztendlich für lange Ärmel, lange Hose und Kopfbedeckung. Hijab hat nichts mit der Art der Kopfbedeckung zu tun, das wird in den Medien falsch dargestellt. Die Monate Juni-September sind sicherlich anstrengender, auch bei uns stiegen die Temperaturen schon mal auf über 30 Grad. Ich kann nur betonen, eine Reise in den Iran aufgrund der Kleiderordnung nicht anzutreten wäre engstirnig und übrigens auch im so beliebten Dubai und Marokko sind kurze Sachen nicht gerne gesehen.

Kleiner Hinweis am Rande, bei besonders religiösen Einrichtungen wie Schreine in Shiraz, Qom oder Mashhad wird das Tragen eines Tschadors, auch den Touristinnen abverlangt. Wer nicht als kleines Hui Buh durch die Gegend wandeln möchte, wird diesen Schrein nicht besuchen können.

haram und Hijab…..also angemssen!

Religion spielt im alltäglichen Leben der Iraner eine unterschiedliche Rolle. 40 Jahre nach der Revolution sind die Iraner weichgekocht, eine große Anzahl Atheisten wächst heran, die Regeln auch Kleidervorschriften werden regelmäßig gebrochen und dennoch können die Mädels mit westlichen Lebenstil sehr wohl gläubig sein. Im Umkehrschluss muss aber eine Frau im Tschador, ganz in schwarz nicht automatisch superreligiös sein……der Tschador gehört sein Jahrhunderten zum Iran.

Daneben gibt es die Hardliner, ich denke der Vergleich zu der Türkei trifft es ganz gut….der Iran wird sich in den nächsten Jahren entscheidend verändern. Ob diese Veränderungen prowestlich sein werden, entscheidet nicht der Iran sondern der Westen! Den Hardlinern wäre ein offener Konflikt mit den USA, der EU oder auch Israel vermutlich sehr lieb, damit könnten alte Strukturen wieder verfestigt werden, alte Feindbilder gepflegt und Frauenrechte, Veränderungen wieder abgeschafft werden.

Bezüglich der Shiiten hatte ich in meinen Vorberichten eine Menge geschrieben. Sie sind als reformiert zu betrachten, es wird nur 3x gebetet, missioniert wird nicht und alle Religionen sind im Iran gleichberechtigt nebeneinander….nur konvertieren geht nicht! Wie ich bereits geschrieben hatte, die Shiiten gelten für den IS als Ungläubige und Terroranschläge werden zumeist von Sunniten verübt ( das ist leider eine Tatsache) ….also, sofern beim nächsten Mal wieder vom bösen Iraner gesprochen wird, hinterfragt die Stammeszugehörigkeit….Perser, Kurde, Belutsche, Araber, Lure Turkvölker etc.etc.etc. achja, rd 8% der Iraner sind Sunniten.

Frauenrechte

Ich hörte im Vorfeld auch oft „ ich reise in keinen Staat, in dem die Frauen keine Rechte besitzen“….aber Niemand fragte nach, ob das denn wirklich so ist? Anders als in vielen anderen Länder der Golfregion durften die Frauen im Iran immer einen Beruf ausüben, wählen gehen und sich scheiden lassen. Sie verfügen über eigene Geldmittel auch aus eigenem Besitz ( Häuser) und Geschäft ( Selbständigkeit). Es gibt so gut wie keine Analphabeten im Iran, man sollte sich im Vergleich die Zahlen aus Marokko oder Ägypten mal ansehen! Sicherlich ist nicht alles rosig am Himmel und es gibt für Frauenrechtlerinnen viel zu tun im Land der Ayatollahs. Ich sage nur Kleiderordnung, Alleinerziehende und Nichtverheiratete und dennoch geht mein Fingerzeig in die VAE, Marokko oder auch nach Ägypten. Dort steht es mit den Frauenrechten zum Teil viel schelchter und die Touristenmassen strömen dennoch ins Land und machen sich darüber keine Gedanken.

Propaganda

Ja, es wäre gelogen, wenn wir sagen würden, es gäbe sie nicht. Beide Ayatollahs sind allgegenwärtig, die Märtyrerbilder aus dem Iran- Irakkrieg sieht man überall.Dennoch haben wir in den 25 Tagen mehr Aussagen gehört wie „unsere Regierung ist irre, wir sind aber keine Terroristen“ als der vielbesungene Ausspruch „Tod Amerika oder Israel“. Nur in Tabriz habe ich ein gelungenes Plakat bzgl. des Volltrottels in Washington gesehen und natürlich den Uraltkram an der ehemaligen Botschaft in Teheran. Aber mal unter uns, wir würden den hässlichen Typen im weißen Haus und der Knesset doch auch gerne in den Allerwertesten treten?

Individuell oder Reisegruppe?

Leute, macht Euch keine Gedanken….ich sage natürlich „nur individuell“….es sei denn Ihr steht aufs Weißhaargeschader. Die Reisegruppen überschwemmen das Land, hofiert wird die Altersgruppe 70+ und die Veranstalter machen einen Riesenreibach, da der Iran so ungeheuer preisgünstig ist, da war Indien fast teuer im Vergleich. Wer also zu viel Geld, zu wenig Zeit und Lust auf Gesellschaft hat, wird auf dem hiesigen Anbietermarkt schnell fündig werden.

Wer gerne langsamer, evtl. auch an einigen Stellen tiefer unterwegs sein möchte, wer Interesse, insbesondere an den Menschen hat, der zieht individuell vor. Das Bussystem ist sehr gut ausgebaut, als Autoverleih steht nur Europcar zur Verfügung. Taxis sind spottbillig, wir haben selten über einen Euro für eine Tour gezahlt. Individuell bedeutet natürlich auch, dass mehr Geld in kleinen Hotels und Restaurants bleibt, weniger Kohle vom europäischen Veranstalter verschlungen wird. Die Belohnung werden Begegnungen der ganz besonderen Art sein, die Iraner sind mehr als liebenswert.

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Essen und Trinken

Fangen wir mit Letzterem an. Nationalgetränk ist Chay….also Tee. Dieser wird mit Safranzucker gesüßt und ist überall 24/7 erhältlich. Alkohol ist nicht haram und absolut verboten, es gibt aber antialkoholische Biere wie HeyDey oder auch Jever Fun. Wir sind gut durch die Wochen gekommen, leid tat es uns um die Rebstöcke in Shiraz, wo nur noch Rosinen gerntet werden. Softdrinks sind überall und in allen Marken erhältlich, die iranische Cola ist allerdings auch nicht verkehrt . Schlechter sieht es mit Lightprodukten aus, die man eher selten bekommt.

Zum Thema Essen gibt es nicht so viel zu berichten, der Iraner isst gerne Kebab, also gegrilltes Fleisch in allen Varianten und wenn man das nicht mehr mag, gibt es gegrillten Fisch, Gemüse oder Dizi ( Eintopf mit Lamm und Kichererbsen). Ash ist eine dicke Gemüsesuppe, Khoresh ist Fleischeintopf. Es gibt eine Joghurtsuppe und Joghurt in allen erdenklichen Varianten. Dazu kommt Aubergine als Nationalgericht….als Dip, gebraten usw….satt wird man, allet jut in der Kulinarik auch für Vegetarier.

Nur das vielgepriesene Fesenjan ( Soße mit Granatapfel und Walnüssen) fand ich nicht so dolle.

Das Frühstück besteht meistens aus Fladenbrot, Gurke, Tomate, Käse und Karottenmarmelade sowie einer Eierspeise. Kommt noch ein Linseneintopf oder gar Datteln hinzu, ist die Sache bereits weitaus mehr als kontinental. Von der hier gezeigten Wurst würde ich die Finger lassen…..die Katzen des Hotels mochten diese aber sehr.

Fast Food Läden boomen ebenfalls, aber keine großen Ketten sind im Land vertreten.

Grundsätzlich war die Restaurantsuche nie ganz einfach, im Iran kocht Mama eben am Besten.

Wirklich lecker sind Eis, Kuchen und Sûßwaren im Allgemeinen, da sind die Iraner echte Könner.

Toiletten

Hockklos sind für westliche Reisenden immer noch eher ungewöhnlich, mit islamischer Kleiderordnung eine echte Herausforderung. Der Mantel, die Handtasche, das Kopftuch, die lange Hose und das fehlende Toilettenpapier….alles will und muss in zwei Hände passen, da Kleiderhaken zumeist fehlen. Wir sind alle Stehkloexpertinnen geworden und als großer Trost für das eine oder andere nicht so tolle stille Örtchen, es gab immer Wasser und Seife.

Übrigens hat nicht jedes Restaurant automatisch auch Toiletten, was im Verlauf eines langen Tages zum Problem werden kann.

Verkehr

Die Iraner, die im allgemeinen ausgeglichen, höflich und ruhig wirken, werden auf der Straße und in der U- Bahn zur Pistensau. Es gibt keine Regeln, jegliche Zurückhaltung wird aufgegeben….der/die Erste gewinnt die Spur, die grüne Ampel oder auch den Zutritt des wartenden Zuges. Im Straßenverkehr gelten KEINE der allgemeinen Regeln, auch bei einer grünen Ampel sollte vorsichtig agiert werden.

Auf dem Land und der Tourirennstrecke war es einfacher zu fahren, unsere Erlebnisse in Ostaserbaidschan waren haarsträubend. In der Teheraner U-Bahn kommt man kaum aus den Zügen weil von außen in den Zug gedrückt wird, was das Zeug hält. Keine/ r bemüßigt sich, über dieses unlogische Verhalten nachzudenken.

Geld

Nur Bares ist Wahres, dank der USA ! Der Iran ist von jeglichen Banken abgeschnitten und somit trägt man sein Hab und Gut immer bei sich. Das Land ist spottbillig, der Rial unterliegt einer schlimme. Inflation-gut für uns, ganz mies für die Iraner. Benzin kostet 6,6 Cent pro Liter, ein Essen im Restaurant liegt bei 3-4 € inkl. Getränk für eine Person.

Einzig der Mietwagen kommt teuer und die Kaution ist meistens futsch….wir warten immer noch auf die Rückzahlung über Pay Pal.

Hotels sind nicht über die gängigen Portale zu buchen, ich kann aber gute Alternativen benennen.

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Zum Abschluss meines Blogbeitrags möchte ich mich nochmal glühend für das Land in die Bresche schmeißen! Leute, fahrt in den Iran, das ist das Einzige, was das Land retten kann. Nehmt die Gastfreundschaft auf, schaut Euch das kulturelle Erbe und die tolle Landschaft an und denkt daran: Jeder Tourist ist für den Iran ein Hoffnungsträger für eine bessere Zukunft. Wir werden, sofern die politische Situation stabil bleibt, sicherlich nochmal in das wunderschöne Land reisen und an eine bessere Zukunft glaube ich inbrünstig, die Iraner hätten diese verdammt nochmal verdient. Ich hoffe ich konnte den/ die Eine/n überzeugen und hoffen wir mal, dass es in der Region ruhig bleibt.

Danke Iran für die wundervolle Reise !

! ایران ممنون

7 Gedanken zu „Iran 2019, Xiv: Fazit“

  1. Liebe Sandra, dieser Abschlußbericht ist einmalig und sehr gut
    geschrieben eine Journalistin ist an dir verloren gegangen. Du soltest diesen Artikel veröffentlichen das die Menschen ganz anders sind als wie es immer dargestellt wird. Denk mal darüber nach. Schicke das mal an eine renomierte Zeitung. Die würden sich die Hände reiben über diesen sehr guten Artikel.

    L. G. Nati u. Kalle

    1. hallo Ihr Zwei, wohl kaum interessiert sich einer für den Iran….nur die Reisenden und die wissen, dass es kein Schurkenstaat ist. Der Iran boomt und so lange die verrückten Amis keinen Krieg vom Zaune brechen, wird das wohl auch so bleiben.
      LG Sandra

  2. Super toll geschrieben.. Wir waren 2019 im Juni im Iran und sind individual durchs Land gereist (mein Mann, 74 Jahre und ich, 61 Jahre), überwiegend mit Bussen. Wir koennen den Bericht voll und ganz ganz bestätigen… Ein wunderbares Land mit ganz beeindruckend lieben Menschen… Wir versuchen dieses Jahr wieder hinzureisen…. Ich möchte gar nicht mehr woanders hinreisen

  3. Auch wenn ich vielem zustimme, hier wird wohl „Demokratie“ nicht ganz richtig verstanden… die USA sind und bleiben eine Demokratie, sie haben allenfalls ein seltsames Wahlrecht, das bedeutet aber nicht, dass sie undemokratisch sind. Auf jeden Fall gehe ich davon aus, dass man bei einer Regelübertretung im Iran mit härteren Konsequenzen als in den USA rechnen muss.
    Nichtsdestotrotz würde ich eher in den Iran als in die USA reisen, aus vielen Gründen. Aber ich finde, das sollte man schon klarstellen.

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