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Iran 2019, Xiv: Fazit

Salaam! Nach fast vier Wochen in der „Achse des Bösen“ im sogenannten „Schurkenstaat“ ist es Zeit ein kleines persönliches Fazit zu ziehen, insbesondere im Hinblick auf das Säbelrasseln des merkwürdigen Menschen in Washington, der mir in der vergangenen Woche wieder das kalte Grausen gelehrt hat.

Kann man in den Iran sicher reisen?

Aufjedenfall kann man individuell in den Iran, das Land ist als sehr sicher zu bezeichnen. Kriminalität wie in Mittel,- oder Südamerika sind unbekannt. Sicherlich gibt es Kleinkriminalität wie Taschendiebstähle aber die gibt es überall auf der Welt. Vermutlich schreckt die Scharia doch vor größeren Vergehen ab.

Der Iran ist komplett anders als in den Nachrichten und Medien dargestellt. Noch nie habe ich so herzliche, ja liebevolle und besorgte Menschen kennengelernt, die sich einfach nur über Touristen freuen und um deren Wohl besorgt sind. Wir sind so liebevoll umsorgt, gehegt und gepflegt worden, dass ich schon von meiner 75 Mio umfassenden iranischen Familie spreche. Achja, anders als in arabischen Ländern wird Frau nicht angemacht oder irgendwie belabert, behelligt etc….ein ganz wichtiges Reisekriterium.

Sollte man in den Iran reisen?

Diese Frage ist, wie bei allen Reisen in nichtdemokratische Länder schwer zu beantworten und was heißt am Ende schon Demokratie? Die Iraner wählen ihr Parlament, das Oberhaupt im Staat bleibt aber der jeweilige, religiöse Anführer, im Iran Chamenei vorher Khomeini. Ich finde, wer mit dem Zeigefinger auf diese Tatsache hinweist, der sollte auch seine Reisen in die Türkei oder in die USA überdenken, denn demokratisch geht es dort sei Jahren ebenfalls nicht zu. Auch das vielbereiste Kuba, China, Myanmar, Indien, Russland sowie viele Staaten Afrikas und Mittel,- Südamerika würden mit einem Schlag von den Wunschlisten der Traveller gestrichen werden. Wer denkt eigentlich noch an die ungerechtfertigte Invasion der Chinesen in Tibet? Wo sind die „Free Tibet“ Demonstranten? Ich schätze die Meisten von damals sind die Kreuzfahrer von heute.

Ich sage, Jede/r sollte in den Iran reisen um sich selbst davon zu überzeugen, dass weder Schurken noch böse Achsen am Werke sind, sondern Werte, die insbesondere dem Westen und damit meine ich die USA und auch uns Europäer schon lange verloren gegangen sind, noch wichtig sind.

Religion und islamische Kleiderordnung

Achja, was wurde gefrotzelt im Vorfeld und auch ich konnte es mir kaum vorstellen….aber ja, es ist möglich vier Wochen „haram“ also ordentlich im“Hijab“ also islamisch gekleidet zu sein. Hijab steht letztendlich für lange Ärmel, lange Hose und Kopfbedeckung. Hijab hat nichts mit der Art der Kopfbedeckung zu tun, das wird in den Medien falsch dargestellt. Die Monate Juni-September sind sicherlich anstrengender, auch bei uns stiegen die Temperaturen schon mal auf über 30 Grad. Ich kann nur betonen, eine Reise in den Iran aufgrund der Kleiderordnung nicht anzutreten wäre engstirnig und übrigens auch im so beliebten Dubai und Marokko sind kurze Sachen nicht gerne gesehen.

Kleiner Hinweis am Rande, bei besonders religiösen Einrichtungen wie Schreine in Shiraz, Qom oder Mashhad wird das Tragen eines Tschadors, auch den Touristinnen abverlangt. Wer nicht als kleines Hui Buh durch die Gegend wandeln möchte, wird diesen Schrein nicht besuchen können.

haram und Hijab…..also angemssen!

Religion spielt im alltäglichen Leben der Iraner eine unterschiedliche Rolle. 40 Jahre nach der Revolution sind die Iraner weichgekocht, eine große Anzahl Atheisten wächst heran, die Regeln auch Kleidervorschriften werden regelmäßig gebrochen und dennoch können die Mädels mit westlichen Lebenstil sehr wohl gläubig sein. Im Umkehrschluss muss aber eine Frau im Tschador, ganz in schwarz nicht automatisch superreligiös sein……der Tschador gehört sein Jahrhunderten zum Iran.

Daneben gibt es die Hardliner, ich denke der Vergleich zu der Türkei trifft es ganz gut….der Iran wird sich in den nächsten Jahren entscheidend verändern. Ob diese Veränderungen prowestlich sein werden, entscheidet nicht der Iran sondern der Westen! Den Hardlinern wäre ein offener Konflikt mit den USA, der EU oder auch Israel vermutlich sehr lieb, damit könnten alte Strukturen wieder verfestigt werden, alte Feindbilder gepflegt und Frauenrechte, Veränderungen wieder abgeschafft werden.

Bezüglich der Shiiten hatte ich in meinen Vorberichten eine Menge geschrieben. Sie sind als reformiert zu betrachten, es wird nur 3x gebetet, missioniert wird nicht und alle Religionen sind im Iran gleichberechtigt nebeneinander….nur konvertieren geht nicht! Wie ich bereits geschrieben hatte, die Shiiten gelten für den IS als Ungläubige und Terroranschläge werden zumeist von Sunniten verübt ( das ist leider eine Tatsache) ….also, sofern beim nächsten Mal wieder vom bösen Iraner gesprochen wird, hinterfragt die Stammeszugehörigkeit….Perser, Kurde, Belutsche, Araber, Lure Turkvölker etc.etc.etc. achja, rd 8% der Iraner sind Sunniten.

Frauenrechte

Ich hörte im Vorfeld auch oft „ ich reise in keinen Staat, in dem die Frauen keine Rechte besitzen“….aber Niemand fragte nach, ob das denn wirklich so ist? Anders als in vielen anderen Länder der Golfregion durften die Frauen im Iran immer einen Beruf ausüben, wählen gehen und sich scheiden lassen. Sie verfügen über eigene Geldmittel auch aus eigenem Besitz ( Häuser) und Geschäft ( Selbständigkeit). Es gibt so gut wie keine Analphabeten im Iran, man sollte sich im Vergleich die Zahlen aus Marokko oder Ägypten mal ansehen! Sicherlich ist nicht alles rosig am Himmel und es gibt für Frauenrechtlerinnen viel zu tun im Land der Ayatollahs. Ich sage nur Kleiderordnung, Alleinerziehende und Nichtverheiratete und dennoch geht mein Fingerzeig in die VAE, Marokko oder auch nach Ägypten. Dort steht es mit den Frauenrechten zum Teil viel schelchter und die Touristenmassen strömen dennoch ins Land und machen sich darüber keine Gedanken.

Propaganda

Ja, es wäre gelogen, wenn wir sagen würden, es gäbe sie nicht. Beide Ayatollahs sind allgegenwärtig, die Märtyrerbilder aus dem Iran- Irakkrieg sieht man überall.Dennoch haben wir in den 25 Tagen mehr Aussagen gehört wie „unsere Regierung ist irre, wir sind aber keine Terroristen“ als der vielbesungene Ausspruch „Tod Amerika oder Israel“. Nur in Tabriz habe ich ein gelungenes Plakat bzgl. des Volltrottels in Washington gesehen und natürlich den Uraltkram an der ehemaligen Botschaft in Teheran. Aber mal unter uns, wir würden den hässlichen Typen im weißen Haus und der Knesset doch auch gerne in den Allerwertesten treten?

Individuell oder Reisegruppe?

Leute, macht Euch keine Gedanken….ich sage natürlich „nur individuell“….es sei denn Ihr steht aufs Weißhaargeschader. Die Reisegruppen überschwemmen das Land, hofiert wird die Altersgruppe 70+ und die Veranstalter machen einen Riesenreibach, da der Iran so ungeheuer preisgünstig ist, da war Indien fast teuer im Vergleich. Wer also zu viel Geld, zu wenig Zeit und Lust auf Gesellschaft hat, wird auf dem hiesigen Anbietermarkt schnell fündig werden.

Wer gerne langsamer, evtl. auch an einigen Stellen tiefer unterwegs sein möchte, wer Interesse, insbesondere an den Menschen hat, der zieht individuell vor. Das Bussystem ist sehr gut ausgebaut, als Autoverleih steht nur Europcar zur Verfügung. Taxis sind spottbillig, wir haben selten über einen Euro für eine Tour gezahlt. Individuell bedeutet natürlich auch, dass mehr Geld in kleinen Hotels und Restaurants bleibt, weniger Kohle vom europäischen Veranstalter verschlungen wird. Die Belohnung werden Begegnungen der ganz besonderen Art sein, die Iraner sind mehr als liebenswert.

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Essen und Trinken

Fangen wir mit Letzterem an. Nationalgetränk ist Chay….also Tee. Dieser wird mit Safranzucker gesüßt und ist überall 24/7 erhältlich. Alkohol ist nicht haram und absolut verboten, es gibt aber antialkoholische Biere wie HeyDey oder auch Jever Fun. Wir sind gut durch die Wochen gekommen, leid tat es uns um die Rebstöcke in Shiraz, wo nur noch Rosinen gerntet werden. Softdrinks sind überall und in allen Marken erhältlich, die iranische Cola ist allerdings auch nicht verkehrt . Schlechter sieht es mit Lightprodukten aus, die man eher selten bekommt.

Zum Thema Essen gibt es nicht so viel zu berichten, der Iraner isst gerne Kebab, also gegrilltes Fleisch in allen Varianten und wenn man das nicht mehr mag, gibt es gegrillten Fisch, Gemüse oder Dizi ( Eintopf mit Lamm und Kichererbsen). Ash ist eine dicke Gemüsesuppe, Khoresh ist Fleischeintopf. Es gibt eine Joghurtsuppe und Joghurt in allen erdenklichen Varianten. Dazu kommt Aubergine als Nationalgericht….als Dip, gebraten usw….satt wird man, allet jut in der Kulinarik auch für Vegetarier.

Nur das vielgepriesene Fesenjan ( Soße mit Granatapfel und Walnüssen) fand ich nicht so dolle.

Das Frühstück besteht meistens aus Fladenbrot, Gurke, Tomate, Käse und Karottenmarmelade sowie einer Eierspeise. Kommt noch ein Linseneintopf oder gar Datteln hinzu, ist die Sache bereits weitaus mehr als kontinental. Von der hier gezeigten Wurst würde ich die Finger lassen…..die Katzen des Hotels mochten diese aber sehr.

Fast Food Läden boomen ebenfalls, aber keine großen Ketten sind im Land vertreten.

Grundsätzlich war die Restaurantsuche nie ganz einfach, im Iran kocht Mama eben am Besten.

Wirklich lecker sind Eis, Kuchen und Sûßwaren im Allgemeinen, da sind die Iraner echte Könner.

Toiletten

Hockklos sind für westliche Reisenden immer noch eher ungewöhnlich, mit islamischer Kleiderordnung eine echte Herausforderung. Der Mantel, die Handtasche, das Kopftuch, die lange Hose und das fehlende Toilettenpapier….alles will und muss in zwei Hände passen, da Kleiderhaken zumeist fehlen. Wir sind alle Stehkloexpertinnen geworden und als großer Trost für das eine oder andere nicht so tolle stille Örtchen, es gab immer Wasser und Seife.

Übrigens hat nicht jedes Restaurant automatisch auch Toiletten, was im Verlauf eines langen Tages zum Problem werden kann.

Verkehr

Die Iraner, die im allgemeinen ausgeglichen, höflich und ruhig wirken, werden auf der Straße und in der U- Bahn zur Pistensau. Es gibt keine Regeln, jegliche Zurückhaltung wird aufgegeben….der/die Erste gewinnt die Spur, die grüne Ampel oder auch den Zutritt des wartenden Zuges. Im Straßenverkehr gelten KEINE der allgemeinen Regeln, auch bei einer grünen Ampel sollte vorsichtig agiert werden.

Auf dem Land und der Tourirennstrecke war es einfacher zu fahren, unsere Erlebnisse in Ostaserbaidschan waren haarsträubend. In der Teheraner U-Bahn kommt man kaum aus den Zügen weil von außen in den Zug gedrückt wird, was das Zeug hält. Keine/ r bemüßigt sich, über dieses unlogische Verhalten nachzudenken.

Geld

Nur Bares ist Wahres, dank der USA ! Der Iran ist von jeglichen Banken abgeschnitten und somit trägt man sein Hab und Gut immer bei sich. Das Land ist spottbillig, der Rial unterliegt einer schlimme. Inflation-gut für uns, ganz mies für die Iraner. Benzin kostet 6,6 Cent pro Liter, ein Essen im Restaurant liegt bei 3-4 € inkl. Getränk für eine Person.

Einzig der Mietwagen kommt teuer und die Kaution ist meistens futsch….wir warten immer noch auf die Rückzahlung über Pay Pal.

Hotels sind nicht über die gängigen Portale zu buchen, ich kann aber gute Alternativen benennen.

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Zum Abschluss meines Blogbeitrags möchte ich mich nochmal glühend für das Land in die Bresche schmeißen! Leute, fahrt in den Iran, das ist das Einzige, was das Land retten kann. Nehmt die Gastfreundschaft auf, schaut Euch das kulturelle Erbe und die tolle Landschaft an und denkt daran: Jeder Tourist ist für den Iran ein Hoffnungsträger für eine bessere Zukunft. Wir werden, sofern die politische Situation stabil bleibt, sicherlich nochmal in das wunderschöne Land reisen und an eine bessere Zukunft glaube ich inbrünstig, die Iraner hätten diese verdammt nochmal verdient. Ich hoffe ich konnte den/ die Eine/n überzeugen und hoffen wir mal, dass es in der Region ruhig bleibt.

Danke Iran für die wundervolle Reise !

! ایران ممنون

Iran 2019, XIII: Teheranتهران

Wir cancelten Qom! Freitags und dann auch noch pünktlich zum Mittagsgebet in den zweitheiligsten Schrein des Irans zu wollen, war bereits bei der Planung eine saublöde Idee gewesen! Angesichts der Erfahrungen mit Menschenmassen, Stau und der Tatsache, dass alleine die Fahrt vom Flughafen ( wo Farsiwahn seinen Stall bei Europcar hat) in die Innenstadt zw 2-4 Std. liegt, ließ uns den Plan verwerfen. Hinzu kam die absolute Schrein-Moscheemüdigkeit und die Aussicht bei über 30 Grad nun auch noch nen Tschador überwerfen zu müssen, machte die Entscheidung sehr leicht. Wie heißt es so schön „nach der Reise ist vor der Reise“ oder in unserem Fall „nach dem Iran kann auch bald nochmal vor dem Iran sein“……also kein Besuch in der zweitheiligsten Stadt sondern ein direktes Durchstarten Kashan-Teheran. Teheran machte uns Alle ein wenig kribbelig-15 Mio Einwohner mit einer Wahnsinnsausdehnung, die Meisten nennen die Stadt einen Moloch, die Wenigsten empfehlen einen längeren Aufenthalt…. auch aufgrund der schlechten Luft im Schatten des Elbursgebirges.

Die Fahrt war kurzweilig, wir kannten die Strecke vom ersten Tag zu Sechst. Aus den Mohnfeldern waren trockende Flächen geworden, irgendwann begrüßten uns die bunten Berge.


Am IKIA gaben wir Farsiwahn an seinen Besitzer zurück, unser Bus war ein prima Kumpel in den letzten Wochen gewesen-wehmütig schauten wir dem Kleinen hinterher und stapften, nach Geldtausch im Ankuftsbereich, zur Teheraner Metro.

Für 90.000 Rial (0,65€) erstanden wir ein Metroticket und erwarteten gespannt, im Wartebereich, auf unsere erste Metrofahrt.

Der Zug war überraschend modern, es gibt grundsätzlich Frauenabteile im vorderen und hinteren Bereich und wir pflanzten uns zunächst mal alle Sechs in die Mitte-Frauenabteile lernten wir erst später zu schätzen.

Irgendwann (ca.50 min Fahrt) mussten wir in die reguläre Linie 1 wechseln und ab diesem Moment machte das gemeinsame Abteil keinen Spaß mehr. Echt aufsässige und freche Bettelkinder nervten, wir hielten unsere Taschen im Zaum und erträglich war das Ganze nur, weil wir saßen. Mit Spannung beobachteten wir die fliegenden Händler, Bissel Kaugummi, Zahnbürsten oder Handykabel gefällig?!

Mit nochmaligen Umsteigen hatten wir es in knapp zwei Stunden geschafft, die Teheraner Metro spuckte uns an der Station Baharestan unbeschadet aus ihren Fängen.

Unser Hostel war nur 50 m vom Metroausgang entfernt und mit einem Mal befanden wir uns im internationalen Travellergeplänkel und in einer kompletten Blase. Kein Kopftuch, englisch dominierte……das Heritage Hostel ist eine gute Empfehlung, da die Hotels in Teheran alle sehr teuer und obendrein auch nicht als wirklich gut zu bezeichnen sind. Ich hatte lange gesucht, das Haus wurde erst 2017 eröffnet und liegt ziemlich zentral. Wir zahlten 40€ pro DZ mit Bad, für Teheran ein Schnäppchen.

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Da wir einen kompletten Nachmittag in der Millionenstadt geschenkt bekommen hatten, entzerrte sich das Sightseeingprogramm. Nach einem Falafelsnack in der Imbissbude neben dem Hostel fuhren wir entspannt mit der Metro zur ehemaligen US Botschaft. Diese wird mittlerweile von linientreuen Studenten noch am Leben erhalten und als Spionagenest der CIA bezeichnet. 1979 nahmen Khomeinianhänger für 444 Tage ranghohe Diplomaten in Geiselhaft, seitdem wurde die Botschaft von den USA aufgegeben, die allseits berühmte Propaganda zeugt von keiner Liebe zw. dem Iran und den USA und natürlich gegenüber dem Erzfeind Israel. Die Botschaft war geschlossen, da Freitag war…..die Graffiti reichten uns Allemale.

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Bemerkenswert ist die andere Straßenseite, die explizit die Schandtaten der USA der letzten 70 Jahre aufzählt…..keine netten Buben unsere so arg geschätze Weltpolizei!

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Zur Propagandaverarbeitung entschlossen wir uns für einen geselligeren zweiten Sightseeingpunkt, den Besuch der Tabiatbrücke. Diese ist bereits mehrfach prämiert, die Architektin Leila Araghian hat mit dieser Brücke ihr Meisterwerk geschaffen.

Wir entschlossen uns, aufgrund der Fülle in der Teheraner Metro, das Frauenabteil aufzusuchen und waren absolut begeistert. Shoppingmeile Metro, die erste Dame verkaufte BHs und Schlüpfer…..und nicht nur braves Zeug, holla die Waldfee.

Abgelöst wurde diese durch Make Up und Haarutensilien, gefolgt von Fusskettchen, Handybändern, Brillenbänder, Kaugummi, Picknickdecken usw. usw. usw.

Neben den Kaufaktivitäten waren meistens wir vier Mädels die Hauptattraktion-es sprach sich von weibl. Mitfahrerin zu fliegender Händlerin dann weiter zur nächsten Mitfahrerin durch das ganze Abteil, dass wir die Deutschen waren, aus Alman…..der heiligen Kuh! Bedacht wurden wir immer mit liebevollen, milden Blick egal ob Tschador oder aufgespritze Lippe.

Achja, das Thema Gesichts OP…… meine Güte! Noch nie habe ich so viel Nasenpflaster, aufgespritze Lippen und Wangen und das komplette Programm in einem Gesicht gesehen, unglaublicher Schönheitswahn im Land der Ayatollahs! Und tatsächlich erblickte ich in den zwei Tagen auch zwei Transgendergirls.

Auch auf den Bahnhöfen wurde verkauft was das Zeug hielt, hier ein paar schlechte Handybilder aus der Hüfte. Mehr geht wirklich nicht, wie uns der weitere Verlauf unserer Metroerfahrungen lehrte.

Häbdlerin mit Nasenpflaster

Kurz und gut, Metrofahren wurde zu unserer Lieblingsbeschäftigung und aufgrund der Distanzen konnte wir diese in unserer Zeit in Teheran auch voll auskosten.

Die Tabiatbrücke ist 270m lang und mehrstöckig, sie verbindet die beiden Parks Taleghani und Abo-Atash. Wir krochen zunàchst durch Taleghani und schauten den Familien beim Picknik zu

Danach gings auf das Meisterwerk mit super Blick über Freeway und Elbursgebirge.

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Im zweiten Park bewunderten wir eine Crossfit Darbietung und gingen Café, Tee, Mojito trinken. Die iranischen Familien beim Wochenendgedöns zu beobachten, machte uns großen Spaß, der Spätnachmittag verging wie im Flug.

Mehr durch Zufall als gewollt, landeten wir auf dem Außengelände des Museums zur heiligen Verteidigung. Der Titel ist spooky, der Inhalt noch mehr. Altes Kriegsgerät stand draußen herum, alles erinnert an den Iran/Irakkrieg. Neben Panzer, Flieger usw. gibt es auch Parkbanken in Form eines Panzers….skuril, sowas kennt man in unseren Breitengraden nicht.

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Besonders berührt haben uns PKWs die in Attentaten, vom Mossad verübt, verwickelt waren. In den Jahren 2010-2012 wurden mehrere Atomphysiker umgebracht. Insgesamt waren vier PKWs ausgestellt…..kann sich Jemand an diese Attentate erinnern?

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Auch dieser Papierkorb ist auf dem Gelände ausgestellt-ohne Worte….der Hass wird offen ausgelebt!

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Ansonsten gab es noch dieses interessante Gebäude zu sehen (leider fehlt mir die Info zur Aufgabe des Gebäudes….vermutlich Museum).

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Ob es sich hierbei um das Planetarium handelt?

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Unschwer zu erkennen, Teheran ist in der Moderne angekommen, überall wird gewerkelt und gebaut. Die Stadt ist als ziemlich sauber zu bezeichnen, Berlin ist weitaus dreckiger.

Da wir nur zwei Abende in der Stadt hatten, fuhren wir an unserem, ersten Abend noch zum Azadi Tower, der bereits seit 1971 als Freiheitsdenkmal auf dem Azadi Square steht….also noch zur Schah Ära erbaut wurde und während der islamischen Revolution eine tragende Rolle spielte. Auch heute wird der Platz gerne noch für Demonstrationen genutzt, sofern man den Platz überhaupt heil erreicht! Der Verkehr ist halsbrecherisch, die PKWs interessieren sich nicht für grüne Ampeln und wir waren mehr als erleichtert, als das Wahrzeichen vor uns auftauchte.

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So richtig schön sieht das Denkmal aber erst aus, wenn man direkt unter dem Ypsilon steht….Wahnsinn. Wir waren happy, dass wir trotz knurrenden Magen (es war nach 22:00 Uhr) abends am Azadi Sq. waren….tagsüber macht das Ding nichts her.

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Wir wollten eigentlich im Restaurant des Towers essen gehen, doch leider hatte dieses am heiligen Freitag geschlossen….so gings mit knurrenden Magen ( wir hatten noch mit frischgepressten O-Saft versucht das Loch zu schließen) in die Heia….auf fettiges Fast Food am Busbahnhof Azadi hatten wir Alle keinen Bock. Dort hatten wir allerdings noch ein kleines Deja Vu…..mehrere Busse fuhren nach Ostaserbaidschan und um uns herum wurde immer nur „ Ardabil, Ardabil“ gebrüllt….wir antworteten lautstark „ no Ardabil, Haschtpar!“ und erfreuten uns an den Erinnerungen der ersten Tage im Land.

Mathias machte an diesem Abend noch Bekanntschaft mit der Teheraner Polizei. Er hatte Fotos in der U-Bahn geschossen und wurde von einem besonders linientreuen, iranischen Mitbürger verpfiffen. Das Ende vom Lied war, dass die recht freundlich gesinnte Polizei die Bildchen auf der Kamera durchsuchte, interessiert Fotos aus Isfahan und Shiraz betrachtete und die Bilder aus der Metro zumindest im raw gelöscht wurden, auf der zweiten Speicherkarte sind diese allerdings im jpeg noch vorhanden. Für uns war es eine Lehre…..keine Bilder in der U-Bahn.

Am nächsten Morgen feierten wir erstmal unser Geburtstagskind Annegret mit Geburtstagstisch und Gesang.

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Im Anschluß erkämpften wir uns unser Frühstück. Ich fühlte mich eh ziemlich gerädert, der Rezeptionsbereich lag über unserem Zimmer und wir hörten die Haustürklingel 24/7!

Tagesordnungspunkt Eins war die kurze Metrofahrt zum Golestanpalast, Tagesordnungspunkt Zwei war dann genau dieser. Das Eintrittskartenprocedere verwirrte uns ein wenig. Wir entschlossen uns nur für den Hauptteil, ob wir nun viel BlingBling verpasst haben, wissen nur die Götter.

Als kurze Info für alle Yellowpressliebhaber der 70er Jahre….die Pahlevi Sippe wohnte im Teheraner Norden, Soraya, Farah Dibah und Herr Schah regierten nur im Palast und öffentliche Geschichten fanden in Teherans Mitte statt.

Hier ein paar Glitzerimpressionen, der berühmte Pfauenthron ist im Juwelenmuseum beheimatet, hier ist nur eine Replik zu sehen. Insgesamt soll der Palast zu Abschreckung dienen und dem gemeinen Volk die Dekadenz und Verschwendung der Schah Dynastien offenlegen. Wir wunderten uns über die hässlichen Gebäude um die Hauptanlage herum, die Lage in der Innenstadt ist als bemerkenswert hässlich zu bezeichnen.

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Hier ein paar Preziosen aus den angegliederten Museen:

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eine riesige Bronzemünze
man beachte den dt. Orden

Meissener Geschirr
britisches Design…..ich würds nehmen

Das eine oder andere aus den Besitzschaften fanden wir auch recht nett, hier kommen aber nun die Palastinnenaufnahmen und da dominierte eindeutig gold, silber und orange….die 70er Jahre In- Farbe.

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Hier kommen noch ein paar mehr Außenaufnahmen:

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Da uns nach so viel Kultur ein kleines Hungerchen quälte, gab es echten Teheraner Döner mit Sodbrennen im Anschluss. Faul saßen wir im Café und Keine/r hatte so richtig Lust auf Basar und shoppen.

Die Truppe trennte sich und quälte sich in Zweiergruppen durch den Basar. Wir waren total entnervt, die Menschenmassen nervten und bis auf eine schöne Haupthalle mit Timche gab es nur Pistazien, Datteln und Zucker bis zum Anschlag.

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Am frühen Nachmittag fuhren wir mit der Metro in den Teheraner Norden, Ziel war Darband, eine enge Bergschlucht ….quasi schon fast im Elburs Gebirge.

Im Norden findet man das Geld und auch das Publikum in der Metro änderte sich schlagartig. Die Nasenpflaster wurden mehr, die Kopftücher rutschten tiefer und waren kaum vorhanden und wir lernten eine reizende Studentin kennen, die sich in B1 Niveau mit uns auf deutsch unterhielt, ihr großer Traum- studieren in München….Pharmazie, sie häte sich toll mit Helena austauschen können.

An der Endstation nahmen wir uns zwei Taxis und fuhren die rd. 3 km bis nach Darband. Dort gab es Bergfeeling, Restaurants und eine Schlucht mit tosendem Wasser….für uns Stadtgeschädigten ein willkommende Abwechslug, für Annegret eine würdige Geburtstagslocation.

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Das Arier Restaurant….immer wieder verwirrend
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Nach unserem letzten, sehr guten Abendessen (Annegret hat gut gekocht) tranken wir noch einen leckeren Cappuchino in einem trendigen Café und fuhren mit einem enthusiastischen Taxifahrer zurück zur Metro.

Im Hostel verging der Rest des Abends mit einchecken und Taschen packen….Pistazien und Datteln wollten mit!

Man soll den Tag nie vor dem Abend loben…..dieses Motto trifft auf unseren Abreisetag gut zu. Die Sonne schien wieder, wir frühstückten gemütlich und Zimmer 2 ( also wir) leckten die Wunden der vergangenen Nacht.Gesang bis 0:00 Uhr, Sturmklingeln ab 6:00 Uhr früh….die Nacht war eindeutig gestört gewesen!

Als ob wir einen Animus hatten, machten wir uns bereits um 9:45 Uhr auf den Weg zum Flughafen. Ich schwöre, unser Plan war, genau so wie wir nach Teheran reingefahren waren , auch wieder zurück zum Flughafen zu kommen. Bedeutete in unserem Fall: Metrostation Baherestan nach zwei Stationen umsteigen, ab Iman Khomeini elf Stationen bis Shaed Bagashar fahre. und dort in den Zubringer nach IKIA…summasummarum rd. 1:30-2 Std. Fahrzeit…..dachten wir! Es lief auch alles glatt, bis wir in Shaed Bagashar standen ( ok, wir mussten 1x den Zug verlassen, weil dieser nicht weiterfuhr) und uns erklärt wurde, der Umsteiger wäre in Shaed….also eine Station weiter, die in keinen Plänen verzeichnet ist….hmm machte sogar Sinn, da uns bei der Hinfahrt nach Teheran aufgefallen war, dass sowohl die erste Station des Zubringers Shaed Bagashar hieß, als auch die erste Station nach dem Umsteigen aus dem Flughafenzug den gleichen Namen trug. Wir behielten die Fassung, schließlich waren noch mehr Reisende auf dem Bahnhof, alles Iraner, und die müssen es ja wissen. Sicherheitshalber hielten wir uns gleich mal an Einen, was sich als goldrichtig erwies. Nach 20 Minuten kam mal wieder ein Zug und wir ALLE stiegen ein…..oh hoppla, der geht nicht nach Shaed, Shaed Bagashar oder etwas Ähnlichem…..hmm. also an der nächsten Station wieder raus, mit uns die anderen Flugwilligen und wieder zurück….Nach rd 35 Minuten standen wir wieder am falschen Shaed Bagashar…es war 12:00Unr! Der Iraner schlug vor, Taxen zu teilen und so fuhren wir für ganz wenig Geld (keine 3€ pro PKW) die restlichen 20 km zum Airport und waren nach 20 Minuten dort, Das wird uns für immer eine Lehre sein. Entweder niemals mehr Teheran oder Taxi!

Einchecken war unroblematisch, die Passkontrolle war fast schon im Duty Free Shop. Die letzten Rials gingen für, na Ihr wisst schon, Pistazien und Safranzucker drauf und wie vereinbart flog das Kopftuch einige Meter vor Einstieg in die Maschine mit Schwung in den Nacken! Wir Mädels waren wieder frei und freuten uns wie kleine Kinder….schön in einer Welt ohne islamische Kleiderordnung leben zu dürfen.

Im Flieger saß ein Iraner neben mir, der nach N.Y flog. Er hatte seine Eltern besucht, die aufgrund des liebreizenden Präsidenten voller Gnade, Mr. Trump I, nicht in die USA reisen dürfen. Er brachte unsere Eindrücke, die wir von Land und Leute haben, auf einen Nenner: „Wir hassen die Araber, denn diese haben uns den Islam gebracht und die Probleme im nahen Osten verschärft“ . Seiner Ansicht ( das deckt sich auch mit unseren Beobachtungen) wird der Iran weltlicher, Religion zunehmend unwichtiger, Atheismus, gerade bei den Kids, wird ein Trend. Die Gesellschaft ist geteilt, die Wirtschaft liegt am Boden und alles zusammen kann der Nährstoff für einen großen Konflikt sein……hoffen wir das Beste.

Istanbuls neuer Flughafen hat ein ausgeklügeltes Transfersystem, binnen 10 Minuten standen wir am Anschlussgate und lobten das neue Riesending….bis Annegret fröhlich verkündete, dass sich das Gate geändert hätte. Aus F18 wurde B4 und was das auf dem neuen Flughafen der Superlative bedeutete, kann sich Jede/r denken…….und schon war jegliches Lob dahin! Nachdem die Maschine auch noch Verspätung hatte, obendrein 30 Minuten auf dem Rollfeld zur Startbahn kurvte, waren wir fast schon wieder urlaubsreif….aber nur fast.

In Berlin wurden wir von unseren Lieben begrüßt und unser Emchen freute sich auch aufs heimische Körbchen.

Ich werde in den nächsten Tagen noch kein kurzes Fazit zusammenfassen…..Ihr könnt Euch aber bestimmt jetzt schon denken, wie es ausfallen wird!

Iran2019, I: Teheran تهران-Masouleh ماسوله

Als wir den Plan einer Iranreise in die Tat umsetzten, ernteten wir viele ungläubige Blicke. Geprägt von westlich-amerikanischer Medienkultur gilt der Iran im Volksmund immer nur als Vorhof zur Hölle, als Achse des Bösen, ein Unterdrückerstaat mit Atomprogramm und halbirren Ayatollahs, die ihre Söhne in den Tod schicken und die Töchter des Landes im Tschador verstecken. Natürlich ist die Politik des Iran nicht zu befürworten, doch Alle die bereits das alte Persien besucht hatten, waren begeistert von der Gastfreundschaft und Offenheit der Perser im Schatten des allmächtigen Ayatollah Khomeini.

Ich plante also meine Kleidung für den Trip sorgfältig und da wir mit allen Temperaturen zu rechnen haben , war der Rucksack auch fast 14 kg schwer. Wir lasen uns durch Fettnäpfchenführer und insbesondere die iranische Scharia wurde begutachtet. Diese ist weicher als bei den sunnitischen Wahabiten in Saudi Arabien oder als aktuelles Negativbeispiel zu nenen, in Brunei….dennoch Steinigung und Todesstrafe durch den Strang sind geläufig und werden auch praktiziert. Als Frau muss der Kopf stets und ständig verhüllt sein, die Arme sollen bis zum Ellbogen verdeckt sein, Hosen bis zum Knöchel sind obligatorsich.

Wir schliefen in der Nacht vor unserem Abflug nicht sonderlich dolle, viele Fragen und Ungewissheiten schwirrten uns doch im Kopf herum. Dreißig Minuten vor dem Wecker waren wir bereits auf den Beinen und auch mein Schwiegervater stand früher vor der Tür ! Da wir das Appleladekabel im Auto vergessen hatten, fuhren wir nochmal schnell in die Trollblume, knuddelten den weißen Teddy und machten uns auf den Weg nach TXL. Die Stadtautobahn war voll, wir standen im Stau und brauchten über eine Stunde bis zum Flughafen. Binnen 20 Minuten waren unsere Sachen aufgegeben und superpünktlich hob die Maschine gen Istanbul/Sabiha Gokcen ab. In TXL ging nichts mehr, die ankommenden Fluggäste konnten, aufgrund des Taxifahrerstreiks nur noch zu Fuss vom Flughafen wegkommen.

Neben mir saß eine Israelin, die sehr interessiert an unserem Urlaubsziel schien und sehr traurig war, dass sie aufgrund des israelischen Passes keine Chance hat, in den Iran zu fliegen. Sie besuchte ihre Tochter in Berlin und war ganz begeistert von der Offenheit in der Stadt. Von Rassismus hat sie in Berlin nichts bemerkt. Bei Landung in Istanbul hellte sich ihre Miene aufeinmal auf und sie verabschiedete sich mit den Worten „ich hab noch nen italienischen Pass, evtl. bekomme ich damit ein Visum für den Iran“!

Wir vertrieben uns die Zeit mit einem Cappuchino und dem Beobachten von Menschen. In SG starten Maschinen nach Djidda, Mekka, Kabul, Beirut, Amman, Casablanca und Kabul und die jeweilige Verhüllungstracht war jeweils für uns das Ticket für die Maschinen an der Anzeigetafel-Hijab, Burka, Niqab aber kein einziger Tschador! Die Maschine BER-IST war voll mit Kopftuchträgerinnen, die Maschine IST-IKA war komplett leer….absolut auffällig. Erst mit Verlassen der Maschine zogen sich die Perserinnen etwas über den Kopf, die letzte erst kurz vorm Grenzbeamten, der den Pass begutachtete. Neben mir saß der etwas verhungert wirkende Jamal, Deutschiraner aus Berlin, der absolut nett war und uns am Ende seine Nummer mitgab-für den Fall der Fälle!

Unter dem strengen Blick der beiden Ayatollahs Khomeini und Chameni reisten wir um 1 Uhr nachts in die shiitische Republik Iran ein oder um es mit den Worten von Meister Trumpel zu sagen „Willkommen in der Achse des Bösen“. Böse kam uns aber gar nichts vor, die Kontrolle war harmlos, weder nach Männlein und Weiblein getrennt, noch mit blöden Fragen gespickt.

An der Wechselstube tauschten wir 100€ und waren Millionäre, IR Millionäre….genauer gesagt 15 Mio IR schwer. Rial werden allerdings im Sprachgebrauch nicht mehr genutzt, Tomans sind gebräuchlicher….man streicht einfach ein paar Nullen weg, nimmt die gleichen Scheine und ist komplett verwirrt. Ihr auch? Macht nichts, Mathias-mein Finanzminister ist hier vollkommen überfordert und ich trage zwar ne Matte Kohle spazieren, setze mich damit aber nicht auseinander.

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Wir bahnten uns den Weg ins IBIS und fielen für wenige Stunden in unruhigen Schlummer. Um 7:15 (2,5‘Std ist der Iran D vorneweg) klingelte der Wecker und wir ließen uns ein sehr gutes Buffet im Novotel schmecken.

Um 8:40 waren wir bereits bei Europcar und lernten nicht nur einen reizenden älteren Herren kennen, der mir zeigen wollte, dass man in seinem Lieblingsolivenbaum Allah sehen kann ( ich bekam das Foto als Beweis mit) sondern auch unseren sehr liebenswerten Europcarmilchbubi, der einfach nur süss war. Wir einigten uns darauf, das der alte Zausel crazy gewesen war-der Europcarmensch bewunderte auch sein Fotoexemplar, gemeinsam suchten wir Allah…..und fanden nischt.

Eine Schönheit ist unser Wagen nicht, passt aber zum restlichen Fuhrpark des Irans. Vorzugsweise gibt es Autos in rostweiß, verschönert mit vielen Beulen und Blechschäden und schon fünf Minuten auf der Straße weiß man warum.

Wir sind, was Autofahren im Ausland angeht eigentlich ziemlich erfahren, Betonung liegt auf eigentlich. Die Iraner schneiden, machen aus vier Spuren sieben, sind egoistisch und verträumt, wagemutig und laufen dem Grunde nach ins offene Messer, aka Sensenmann……unglaublich. Nicht mal israelische Hitzigkeit gepaart mit palästinensischer Wut kann das, was hier auf den Straßen abläuft toppen. Bereits nach 149 km ( drei Stunden) auf dem Weg nach Qazvin bemerkte Mathias ziemlich lakonisch „ die Statistiken sprechen eigentlich schon gegen uns“….ich vertraue meinem Mann und er benutzt wenigstens die Hupe! Die Iraner benutzen nichts….keinen Blinker, kein Licht und auch nie die Hupe! Es ist immer ruhig und dunkel auf den Straßen, egal zu welcher Uhrzeit.

In Qazvin eroberten wir einen Parkplatz gegenüber der alten Karawanserei Sa‘d al Saltaneh. Im Iran sind die alten Krawansereien der Seidenstraße gerne zu Basaren umgewandelt worden und diese hier ist ein genialer Einstieg in die Geschichte Persiens. Wir erholten uns in einem Café und lernten ein paar nette Mädels kennen.

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Als nächstes eroberten wir den Azadi Square, der noch Nohrooz Deko aufweisen konnte und nen kitschigen, sozialistischen Charme versprühte.

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Der Chehel Sotun war der Königspalast von Schah Tamasp, Qazvin war einmal Hauptstadt Persiens.

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Vor unserer Weiterfahrt nach Masouleh bewunderten wir noch den Imanzadeh-ye Hossein Schrein aus dem 16 JH, der dem Sohn Imam Reza geweiht ist. Den Märtyrerfriedhof mit Kampfjet schenkten wir uns. Auf dem Rückweg entdeckten wir einen Strafzettel an der Windschutzscheibe, der nette Kioskverkäufer meinte nur lässig „no money, no money“…..hmmmm da gibts noch Klärungsbedarf.

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Da wir weder die Freitagsmoschee noch die Nabi Moschee gesehen hatten, kam Qazvin nochmal auf den Sightseeing Plan….wir kehren ja nach Teheran zurück.

227 km bis Masouleh sagte mapsme…..was rd zwei Stunden in Deutschland wären, sind im Iran quasi eine Tagesfahrt, mit viel Irrsinn auf den Straßen. Wir brauchten länger als gewollt, da wir statt der neuen Autobahn nach Rasht auf der alten, von den Russen erbauten Straße fuhren. Diese war allerdings sehr viel schöner, wir sahen die ersten bunten Berge und dennoch, ich sah manchmal neidisch auf die benachbarte Autobahn…..es wurde später und später. Das letzte Stück fuhren wir dann ebenfalls auf einem Teilstück und zahlten die Maut für die gesamte Strecke 0,30 € !

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Gegen 18:30 waren wir rd 480 km von Teheran entfernt und bereits seit 9,5 Std unterwegs und wir waren platt. Nachdem wir unsere Wohnung förmlich erkämpft hatten (wir verstanden nur Bahnhof, Mr Khademi war auf einmal eine Frau und die Telefonverbindung zwecks Klärung war so dermaßen schlecht, dass mein lieber Mann hysterisch wurde) erfreuten wir uns an iranische 60 qm mit Hocktoilette und europäischen Bad. Beheizt mit Öl und Strom, vor der Küchenzeile lag ein toller persischer Teppich, den wir gerne abgekauft hätten. Man sagt ja, dass eine persische Wohnung eingerichtet ist, wenn der Perser ausgerollt ist, somit waren wir schon sehr zufrieden, dass neben den Teppichen doch noch ein paar Möbel vorhanden waren.

Die Kellerwohnung war unsere
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In der Dämmerung schlenderten wir über die steilen Hänge in das min. 1000 Jahre alte Lehmdorf. Was in einem Haus das Dach ist, ist darüber die Straße oder Terasse oder Boden des anderen Hauses. Malerisch liegt das Nest am Hang, über 1500m hoch. Mittlerweile ein Hotspot der iranischen Touristen, am ersten Abend waren wir die einzigen Westler im Nest.

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Wir erkämpften unser Abendessen im Gilanstyle ( Kebabs mit sauren Soßen) und erfreuten uns am Preis….1,5 Mio IR= 10€! Um 22:30‘Uhr fielen wir ins Bett.

Der nächste Morgen war schwül trocken und wir schlenderten zum Aussichtspunkt auf den Ort und zum Friedhof. Dort hatten wir nicht nur einen tollen Blick auf die Lehmhäuser sondern lernten viel von der persischen Bestattungskultur. Auch ohne Worte kam Mathias mit einem Mann in Kontakt, der seinen Sohn betrauerte. Ihn trafen wir im Ort wieder und waren fast schon einheimisch.

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Verließ man den Friedhof und lief weiter bergauf, bekam man diesen wunderbaren Blick auf das gesamte Nest.

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Zurück im Dorf durfte ich immer wieder mit wildfremden, herzlichen Menschen für ein Handybild posen und schwitzte unterm Kopftuch. Gegen 11:00 Uhr gab es iranisches Frühstück ( Omelette, Walnüsse,Schafskäse, Creme und Honig) und etwas betrübt starrten wir ins Wetter-es regnete stetig mit viel Nass von oben.

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auch eine herzliche Familie, insbesondere die Dame in scharz/ golld

Nach einer weiteren,eher kurzen Runde durch den Ort, verzogen wir uns in unsere Wohnung. Wir gammelten herum und bemerkten irgendwann ein Knistern aus der Wand oberhalb der Küchenzeile….das Knistern wurde lauter, ich sah Flammen aus der Steckdose und danach ging alles ganz schnell. Mathias zog die Sicherungen, trennte die verschmorten Adern und sicherte alles mit Isolierband ab.

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Am Ende hatten wir komischerweise keinen Strom mehr auf 90% der Steckdosen, flackerndes Licht in der Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer. Die Leitungen waren total verrückt verlegt, Froggy sprach von Zirkuselektrik und wir freuten uns über die Tatsache, dass wir in der Wohnung gewesen waren…..die Hütte wäre möglicherweise komplett abgebrannt, inklusive dem Isolierband, welches nun zum Einsatz kam. Mal sehen, wie wir die Wohnung wieder an die Vermietungsdame abgeben. Gott sei Dank ist es morgen früh hell wenn wir abhauen.

Am Nachmittag hatte es aufgehört zu regnen und wir machten uns auf die Socken, in die Sonne.

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Bereits an diesem zweiten Tag gewannen wir die Iraner so lieb, wir landeten in vielen, vielen Handys….wir glauben, dass jeder Tourist auch ein Stück weit Hoffnung für die Iraner darstellt. Wir waren auf jeden Fall sehr angetan und mindestens 30 Menschen waren um mehrere Fotos von Sandra y Mathias reicher! So verdammt süß, herzlich und aufgeschlossen ….es ist uns eine Freude!

Pünktlich zur blauen Stunde liefen wir wieder hinüber zum Friedhof und bekamen von einer iranischen Familie Muffins geschenkt. Diese packte ich in die Tasche und wusste nicht, welch große Aufgabe auf die Muffins wartete.

Pünktlich mit den Nachtfotos kam das Gewitter und wir sahen zu, dass wir wieder in unsere Wohnung kamen.

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Am Abend erfreuten wir uns an der Lichtorgel, die uns seit der brennenden Steckdose begleitete….Wahnsinn, seht selbst: Video folgt!