Wie beginnt man einen Bericht über eine Stadt, die auf immer und ewig mit dem ersten Atombombenabwurf über zivilem Gebiet in Verbindung gebracht wird?
Allein wenn ich den Namen Hiroshima höre, läuft es mir eiskalt den Rücken herunter, ich denke an die berühmten Songs von Wishful Thinking und OMD, sehe schwarz-weiß Bilder aus den letzten Tagen des 2. Weltkrieges und erinnere mich an den berühmten Anime Film „die letzten Glühwürmchen“ der über das Leiden zweier japanischer Kinder im Pazifikkrieg erzählt.
Ähnlich erging es mir in Yad Vashem, Auschwitz oder auch im Genozidmuseum in Phnom Penh oder dem Antikriegsmuseum in Saigon, man hat vorgefertigte Bilder im Kopf, Beklommenheit macht sich breit und man weiß bereits im Vorfeld, das es nicht schön wird, werden kann.
Angesichts der drei großen Spinner auf diesem Planeten und der atomaren Bedrohung im Allgemeinen, ist der Besuch von Hiroshima nochmals intensiver. Das ist nicht nur Vergangenheit und der Wahnsinn längst verstorbener Machthaber, nein ….Hiroshima kann sich wiederholen !!!!
Bereits nach Ankunft am Bahnhof Hiroshima musste ich das erste Mal schlucken. „ Welcome to Hiroshima“ stand in großen Buchstaben über meinem Kopf. Wäre ich auch hier, wenn es den 6. August 1945 nicht gegeben hätte?
Was hätte Hiroshima unterschieden, zu den vielen anderen Städten mit rd. 1 Mio Einwohner in Japan? Vermutlich nichts oder nur die Nähe zu Miyajima, somit wäre die Stadt für uns nur eine Durchgangsstation gewesen.
Die Architektur der Stadt ist als typisch für die 50-70er Jahre zu bezeichnen. Bereits der Weg vom Bahnhof zu Bic Camera (natürlich) und zum Electrotrain machte uns schwach, Unterführungen, Überführungen, viel Beton….
Auch unser Hotel, eine Empfehlung meiner Freundin Annegret, stammt aus dem Wiederaufbau und befindet sich rd. 400 m vom Hypocenter entfernt. In Bezug auf Atombomben wird nicht vom Epizentrum oder Einschlagsort gesprochen, da die Bombe in 600m Höhe explodierte.
Das Sunroute ist ein typisches Viersternehotel mit einer sagenhaften Lage und Ausblick. Da wir wieder das Vertreterschließfach hatten, war unser Ausblick nicht so sagenhaft, das Zimmer aber sehr gut und mit allem erdenklichen Schnickedöns.
Nachdem wir uns frisch gemacht hatten, liefen wir zunächst über einige Denkmäler zum Atombomdendom.
Dieses zeigt die Veränderung eines menschlichen Körpers nach dem Abwurf, wenn die Haut in Fetzen hängt, der Körper 4000Grad ausgesetzt wurde! Die Steine in der weißen Mauer sind Originalsteine, aus einem der Häuser von Hiroshima.
Die Industrial Promotion Hall ist eines der wenigen Gebäude, die nach dem Abwurf der Bombe nicht komplett zerstört war. Es sind ungefähr ein Dutzend Häuser im Hypocenter als Ruinen stehen geblieben. Ein Gebäude wurde komplett restauriert und steht in der Nähe des Museums, alle anderen wurden abgerissen.
Der Atombombendom ist als Mahnmal erhalten geblieben, die Bezeichnung der Ruine hat sich in den späten 50er Jahren durchgesetzt, die Einwohner von Hiroshima plädierten allerdings für den Abriss und waren mit der Entscheidung der Stadtverwaltung nicht einverstanden.
Da verständlicherweise nicht Jede/r mit diesem Detail der Geschichte vertraut ist, fange ich nochmal mit den Eckdaten an:
– Die USA befand sich mit Japan seit dem Angriff auf Pearl Harbour 1941 im Kriegszustand. Japan war alliiert mit den Deutschen und verfolgte aggressiv seine eigenen Interessen im pazifischen Raum. Kampfhandlungen gab es nicht nur in Japan, sondern u.A. auch auf den Philippinen die US-amerikanisch verwaltet wurden. Die Japaner waren bekannt für ihr Durchhaltevermögen, Kamikazeangriffe und einem unbeugsamen Willen. In der Schlacht um Okinawa starben 200.000 Menschen, die Idee der Amerikaner war, den Krieg durch einen gezielten Schlag mit der Atombombe zu beenden.
-Am 6.8.1945 um 8:15Uhr, warf die US-amerikanische Armee die erste Atombombe über bewohntem Gebiet ab. Diese war im Ursprung für Hamburg bestimmt gewesen, Deutschland hatte aber bereits am 8.5.1945 kapituliert.
-Die Atombombe wurde von den Amerikanern „Little Boy“genannt, das Flugzeug, mit dem der Abwurf durchgeführt wurde, wurde nach der Mutter des Piloten benannt, die Enola Gay hieß.
-Kritische Stimmen sind sich einig, der Abwurf der Atombombe hat die Kapitulation von Japan nur beschleunigt, dass sich Japan auch ohne diesem Desaster ergeben hätte, steht ohne Zweifel fest.
-Heutige Atombomben besitzen 120-260x mehr Sprengkraft als Little Boy, im ersten Jahr des Abwurfs starben 70.000 Menschen direkt, und weitere 70.000 Menschen im Nachgang. Bis heute sind noch Opfer des Abwurfs zu verzeichnen. Die Temperatur auf dem Boden unterhalb des Hypocenters lag zw. 4000- 5000 Grad Celsius. Im Umkreis von einem Quadratkilometer unterhalb des Hypocenters gab es nicht einen einzigen Überlebenden.
-Es ist keine messbare, erhöhte Radioaktivität in Hiroshima zu verzeichnen, anders als in Fukushima blieb das Gebiet bewohnbar, da Little Boy so hoch in der Luft explodiert ist und Uran bei Weitem nicht so gefährlich ist wie Plutonium. In Nagasaki explodierte die Bombe übrigens 1200m hoch.
-Bereits zwei Tage nach der Explosion öffnete die total zerstörte Bank in Hiroshima wieder, bis November 1945 war das Stromnetz wieder hergestellt.
-Die US Armee legte einen Schweigebann bis 1952 über den Atombombenabwurf, da die Angst, dass sich Japan auf die Seite der Sowjetunion schlagen würde, zu groß war.
-Bis heute gibt es keine Opferentschädigung, die USA haben Japan, ähnlich wie Deutschland, beim Wiederaufbau unterstützt, Reparationszahlungen gab es aber nicht.
Am Atombombendom haben wir uns mir einem Opfer der zweiten Generation unterhalten. Seine Mutter war mit ihm schwanger als die Bombe fiel. Die alte Dame ist 100 Jahre alt und hat schwere Krebserkrankungen überlebt. Die Familie hat sich am 6.8.1945 quasi halbiert. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, dass Wissen um diesen Tag an die Touristen von Hiroshima weiterzugeben. Zusammengefasst in Ordnern am Atombombendom und in vielen Sprachen verfügbar, kann man sich mit den Ereignissen beschäftigen. Mir hat gut gefallen, dass Herr Mito Kosei auch kritisch mit der japanischen Seite umgegangen ist und nicht nur die Opferrolle eingenommen hat. Die Zusammenfassung hat uns mehr gebracht als der Besuch des Museums, auch wenn dort etliche Exponate zusammengetragen wurden.
Nachdem wir den Atombombendom aus allen Wnkeln abgelichtet hatten, war es Zeit sich dem Peace Park, dem Friedenspark zu widmen.
Peace Bell:
Die Bilder befinden sich in folgender Reihenfolge:
Peace Memorial Park mit Cenograph ( Namen der identifizierten Opfer wurden hier verewigt, Peace Flame ( die Flamme wird so lange am Leben erhalten, bis es keine Atomwaffen mehr gibt), Children Peace Memorial ( in Gedenken an Sadako Sasaki) Die Peace Memorial Hall und Exponate aus dem Peace Memorial Museum.
Am späten Nachmittag waren wir Zwei so platt, dass wir uns erstmal in unsere Wohlfühloase, in unser Zimmer, zurückzogen. Wir waren dankbar, dass wir noch einen Tag in Hiroshima hatten und nicht zum nächsten Highlight hetzen mussten.
In der blauen Stunde machten wir uns mit Stativ und Kamera auf den Weg um Nachtaufnahmen von Hiroshima zu machen „wie kann eine Ruine so schön aussehen?“ fragte sich nicht nur Mathias im Nachgang.
Erst spät gingen wir an diesem Abend essen, es gab Okonomiyaki Hiroshima Style. Ich wählte die Seafood de Luxe Variante, Mathias genoss die „japanische Pizza“ mit Austern.
Wir schliefen aus und stiegen lässig in den zweiten Tag in Hiroshima ein. Der Wetterbericht sagte für unsere letzten Urlaubstage nichts Gutes voraus und wir wollten den sonnigen Tag im Peace Park verbringen.
Zunächst genossen wir das sehr gute Frühstück und den sensationellen Blick aus der 17.Etage.
Gut zu sehen ist der Atombombendom, der Peace Park und das Museum. Die Stadt ist komplett wieder aufgebaut, sehr grün und mit hoher Lebensqualität.
Wir besuchten am Vormittag die Burg von Hiroshima ( Karpfenburg) die bereits 1958 originalgetreu wieder aufgebaut war. Die Originalanlage war von 1589, wurde aber in der Meiji Restauration mehrfach baulich verändert.
Im Inneren ist heute ein Museum zur Stadtgeschichte untergebracht, nach dem aufwühlenden Vortag verzichteten wir auf weiteren Input.
Bis zum späten Nachmittag schlugen wir unser Lager im Friedenspark auf, hörten uns ein Sonntagskonzert an und lasen uns durch unsere Kindle. Mathias verbiss sich in Dracula und ich in Shantaram, beides Klassiker, wenn man so will.
Da gegen 16:00 Uhr der kleine Hunger bei uns anklopfte, wechselten wir die Location und bummelten durch die Shoppingmeile von Hiroshima. Wir kosteten die regionale und unter Weltkulturerbe stehende Regionaspezialität: Bohnenpaste, eingebacken in ein Küchlein, dass wie ein Ahornblatt aussieht-sehr lecker!
Nach süß kommt salzig , wir zogen unser Dinner vor und probierten Hiroshima Steak und japanischen Kartoffelsalat, der übrigens sehr lecker ist.
Den restlichen Abend vertrödelten wir auf unserem Zimmer, Mathias bastelte ein Hiroshima Video aus unseren Fotos, unterlegt mit dem berühmten Song von Wishful Thinking. Da ich finde, dass sein Werk sehr gelungen ist, anbei die Verlinkung :1EAAE4E6-DFC8-4352-8999-0CF458E88BE1