Das sich unser Polenurlaub immer mehr zu einem Burgen,-u. Festungstrip entwickelt hat, hatten wir im Vorfeld nicht geplant. Mochte es am Wetter liegen oder an der Erkenntnis, dass tatsächlich der Deutsche Orden überall hier in diesen Breitengraden sein Unwesen getrieben hat?! Es war wie es war mein Roman blieb jungfräulich auf dem Kindl, die Badesachen wanderten unangerührt wieder in den Rucksack zurück, wir Drei ( inklusive Hund) sind um ein paar Festungsanlagen aller Zeitepochen wissender geworden!
Am 10.07.20 war das Wetter aber schwülwarm und wir entschlossen uns das Schloß und die berühmte Drehbrücke von Gizycko anzusehen. Zum Schloß habe ich nicht mal Richtiges in Wikipedia gefunden. Es wurde nach 1945 wieder aufgebaut, wann und für wen der Originalbau war, who knows….???
Spannender verhält es sich mit der Drehbrücke, die noch händisch bedient wird. Es gibt lediglich zwei Exemplare in Europa. Das Ursprungsexemplar stürzte 1889 aufgrund von Überlast zusammen, die elektrische Konstruktion aus den 60er Jahren war hässlich zu den Kaimauern und seit 1993 wird wieder per Hand gekurbelt. Das Schauspiel lernten wir erst später kennen.
Unser nächstes Ziel war die Feste Boyen, eine Festungsanlage aus dem 19 Jh., typisch preußischer Bauart und sowohl im ersten Weltkrieg als auch im zweiten Weltkrieg relevant. Im Netz toll besprochen, wir fanden die Anlage aber eher langweilig…..doch was sollt es, so liefen, liefen, liefen wir und der Hund freute sich über den Spaziergang. Wir freuten uns ebenfalls, mal im Wald zu sein. Die masurischen Wälder sind dicht, dunkel und wir haben es nicht geschafft, an eine Wanderkarte zu kommen.
Die Anlage wurde ringförmig errichtet und sieht vermutlich aus der Luft am Beeindruckensten aus. Wir bekamen langsam von Bastionen, Kasematten und Kriegsgeschichten genug. Die Polen stehen auf solche Anlagen und spielen förmlich „besiegt die Deutschen“ gerne nach…..
Hier ein paar Burgimpressionen ohne Input und ohne echte Ordnung. Das Ding ist überwuchert, viele wilde Blumen erfreuten uns am Rand und am Beeindruckensten fand ich die Kulissen für sommerliche Solatenspielchen ( Festival im August) ….vermutlich mit Open Air Theater. Alles in Allem tat die Feste Boyen nicht weh, war aber auch nicht notwendig.
Wir ertappten uns dabei, dass wir die Blumen und Tierchen um uns herum interessanter fanden. als die militärische Anlage und den Rundweg abkürzten. Als mich dann auch noch ne fiese Pferdebremse biss, war es Zeit das militärische „ Wunderwerk“ zu verlassen…..immerhin der dichte Wald war sehr beeindruckend und als Kulisse für Filme eignet sich die Festung mit Sicherheit.
Zurück an der Drehbrücke war genau diese offen und wir konnten nicht nur Boote bei der Durchfahrt beobachten, sondern auch eine geschlagene Stunde auf das Schließen der Brücke warten! Emily ging derweil einer ihrer Sommerromanzen nach. Ihr erste Liebe, ein wuscheliger Malteser lief ihr am nächsten Tag sogar nochmal beeindruckend nach. Der kleine Westie war aber eindeutig mehr unser Geschmäckle.
Unseren Nachmittag verbrachten wir faul in Upalty. Wir saßen am See und genossen Fisch…..von Fleisch hatten wir zumindest vorerst mal genug. Mathias traute sich an Aal in Aspik, der wider Erwarten sehr lecker war, ich blieb bei Piroggen mit Hecht und gab mal wieder die Hälte ab. Nach einer Woche polnischer Kulinarik sehne ich mich fast nach kosmopolitischer Askese.
Am nächsten Tag starteten wir Richtung Rastenburg, polnisch Ketrzyn und vor dort weiter nach Görlitz, jetzt Gierloz…..mit mulmigen Gefühl. Muss man unbedingt die Wolfsschanze, das „Führerhauptquartier“ der Jahre 41-44 gesehen haben? Überall stieß man auf Werbung, sah gesprengte Bunker auf Flyern und gefühlt fuhr Jede/r , egal ob Pole oder Tourist, dorthin. Uns und unser merkwürdiges Magengefühl zog es also ebenfalls die rd 40km in den Wald und tatsächlich, der erste Eindruck ließ ein wenig an Disneyland denken.
Großer Parkplatz und professionelle Guides gingen auf Bauern,-aka Tourifang.
Uns gruselte vor waffenverrückten Polen und ewiggestrigen Neonazis, Reichsbürgern und Afdlern, die in Kübelwagen über das Gelände gefahren werden…doch Gott sei Dank, nichts da!!!!
Die Erleichterung war groß, der Rundweg durch die Wolfsschanze konzentrierte sich auf Fakten, insgesamt stand das Attentat auf Adolfa Hitlera im Vordergrund und da tatsächlich alle Nazigrößen eingepolnischt worden waren, musste ich manchmal zweimal nachdenken von wem gerade gesprochen wurde! Adolfa erschien mit als hässliche weibliche Form von Adolf und bei Wilhelma Keitlera musste ich echt nachdenken, ob es die Dame wirklich gegeben haben könnte. So fiel bei uns Deutschen der normale „walk of shame“ ein wenig kleiner aus.
An das Attentat auf den Irren gedenken schießlich auch wir gerne, auch wenn mir das Heldentum der Polen gegenüber Stauffenberg ein wenig befremdlich vorkam. Schließlich war auch der Graf Nazi …wenn auch am 20.07.1944 ein geläuterter!
Was bleibt zur Wolfsschanze zu erzählen? Getarnt war die Anlage als Fabrik, gesichert mit 80.000 Minen um den gesamten Komplex. Sicherheitslücken gab es im Inneren, andernfalls hätte Stauffenberg die Bomben nicht in den Komplex bekommen. Es gab ein Kino, Kasino und Rollfeld. Hitler nutzte seinen Bunker lediglich 12 Tage, die Nazis sprengten die Wolfsschanze Anfang 45…..wobei dies kaum möglich war, die Bunkeranlagen bestanden Alle aus Stahlbeton, die Mauern waren mehrere Meter dick…..davon haben noch Generationen was.
Anbei ein paar Bildchen, sofern ich Erklärungen zu den Bunkern habe , sind diese unter den Bildern zu finden.
Wir betrachteten die Wolfsschanze mit genügend kritischem Abstand, zum Teil lief ich durch die Anlage wie bei einer Ausgrabungsstelle. Angesichts der Farbgebung wähnte ich mich in Angkor Wat oder Tikal und versuchte zumindest die Bildkomposition ansprechend zu gestalten…..
Nach rd. einer Stunde waren wir ohne bleibenden Schaden wieder aus der Anlage raus, Emily hatte ihren kleinen Verehrer vom Vortag wieder getroffen, wir kehrten Adolfa und Wilhelma den Rücken zu!
Unser nächster Weg führte uns nach Heiligelinde, jetzt Swieta Lipka. Der Sage nach wurde eine Marienfigur an eine Linde genagelt (15 Jh.) die auch noch wohltätige Gaben vollbrachte.Während der Reformation zerstört, wurde um 1687-93 die Wallfahrtskirche Heiligelinde erbaut und gehört seit 1945 zum Camino Polska….also auf den Weg nach Santiago de Compostela!
Gegenüber der Kirche steht ein altehrwürdiges Gasthaus in dem bereits Friedrich Wilhelm III gespeist hat. Wir taten es dem Sohn des alten Fritzen gleich und aßen Nudelsuppe im Sonnenschein!
Statt nach Ketzryn fuhren wir lieber nach Reszel/ Rössel. Dort lockte eine alte gotische Burg aus dem 14Jh. und eine hübsche Kirche ( Peter und Paul) ehemals protestantisch, jetzt katholisch. Nach einem Bummel durch das nicht überrestaurierte Nest fuhren wir mit den ersten Regentropfen des Tages wieder zurück nach Upalty.
Bei Tesco kauften wir Vodka, Zurecbasis und Gewürze für einen gelungenen polnischen Abend @home ein.
Abends ließen wir mal wieder lecker den Abend ausklingen und vertrödelten auf unserem Zimmer den Abend.